BGB § 249 § 307 Abs. 1
Leitsatz
Eine formularmäßige Klausel, wonach der Geschädigte aufgrund der Abtretung seines Anspruchs auf Erstattung des Sachverständigenhonorars gegen den Unfallgegner an den Sachverständigen nur dann auf Zahlung des Honorars in Anspruch genommen werden kann, wenn eine Durchsetzung des Anspruchs "nicht möglich ist", verstößt weder gegen das Transparenzgebot noch benachteiligt sie den Geschädigten unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB.
BGH, Urt. v. 23.1.2024 – VI ZR 357/22
1 Sachverhalt
[1] Die Klägerin, eine sogenannte Verrechnungsstelle, nimmt die Beklagte, einen Kfz-Haftpflichtversicherer, aus abgetretenem Recht auf Ersatz weiterer Sachverständigenkosten in Anspruch.
[2] Nach einem Verkehrsunfall, für den die Beklagte dem Grunde nach vollständig einstandspflichtig ist, beauftragte die Unfallgeschädigte einen Sachverständigen mit der Begutachtung der Schäden an ihrem Fahrzeug. Das Auftragsformular enthielt unter der Überschrift "Abwicklung der Vergütung des Sachverständigen; Abtretungen der Ansprüche" folgende Regelungen:
“Der Sachverständige (SV) nutzt die Leistungen der D[… (Name und Anschrift der Klägerin)]. Die D[…] übernimmt die Abwicklung der nachfolgend benannten Ansprüche gegenüber der gegnerischen Haftpflichtversicherung bzw. dem Halter oder dem Fahrer des unfallbeteiligten gegnerischen Fahrzeugs für den Geschädigten und den SV. Hierzu vereinbaren der Geschädigte, der SV und die D […] folgendes:
1. Der Geschädigte tritt seinen Anspruch auf Erstattung des Sachverständigenhonorars für die Erstellung des Beweissicherungsgutachtens gegen den Fahrer, den Halter und den Haftpflichtversicherer des unfallbeteiligten gegnerischen Fahrzeugs in Höhe des Honoraranspruchs des SV (Grundhonorar und Nebenkosten, zzgl. der USt., sofern keine Vorsteuerabzugsberechtigung besteht) – nachfolgend zusammenfassend "der Schadensersatzanspruch" genannt – an den SV ab.
2. Durch diese Abtretung muss sich der Geschädigte nicht selbst an die Anspruchsgegner wenden. Nur dann, wenn eine (vollständige) Durchsetzung des Anspruchs gegen die Anspruchsgegner nicht möglich ist, kann der Geschädigte auf Zahlung des (Rest-)Honorars in Anspruch genommen werden, allerdings nur in Höhe des nicht regulierten Teilbetrags, und nur dann, wenn zuvor der vorstehend unter Ziff. 1 abgetretene Schadensersatzanspruch an den Geschädigten zurückabgetreten wurde.
3. Der SV nimmt die Abtretung des Schadensersatzanspruchs zu den vorstehenden Bedingungen an. Der SV nimmt keinerlei eigene Maßnahmen zur Regulierung des Schadens vor, sondern bietet hiermit der D[…] den Werklohnanspruch nach der vorstehenden Vereinbarung (Grundhonorar, Nebenkosten, Fremdkosten) sowie den an ihn abgetretenen Schadensersatzanspruch zur Abtretung an. Die D […] nimmt das Abtretungsangebot des SV hiermit an; der SV verzichtet auf den Zugang der Annahmeerklärung.
4. Für den Fall, dass die Abtretung des Schadensersatzanspruchs an den SV aus rechtlichen Gründen nicht möglich ist oder sich im Nachhinein als unwirksam erweist, so tritt der Geschädigte den Schadensersatzanspruch hilfsweise unmittelbar an die D […] ab. Die D […] nimmt die Abtretung an; der Geschädigte verzichtet auf den Zugang der Annahmeerklärung. Ziff. 2 gilt für diesen Fall entsprechend.“
[3] Die Beklagte erstattete von den von der Klägerin geltend gemachten Sachverständigenkosten in Höhe von 793,49 EUR einen Betrag von 716,38 EUR. Die Klage, mit der die Klägerin die Differenz nebst Zinsen geltend gemacht hat, hat das Amtsgericht (AG Husum, Urt. v. 2.8.2022 – 28 C 77/22) abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Landgericht (LG Flensburg v. 8.12.2022 – 1 S 53/22) zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.
2 Aus den Gründen:
[4] I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass die Klägerin nicht aktivlegitimiert sei, weil es schon an einer wirksamen (Erst-)Abtretung der streitgegenständlichen Forderung von der Geschädigten an den Sachverständigen fehle. Ziffer 2 der Klausel verstoße gegen das Transparenzgebot. Der Durchschnittskunde könne nicht mit der gebotenen Sicherheit ermessen, wann die erste Bedingung seiner Haftung für den Werklohnanspruch des Sachverständigen eintrete, nämlich die Voraussetzung, dass die (vollständige) Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs gegen die Anspruchsgegner "nicht möglich" sei. Hier kämen drei mögliche Varianten in Betracht, nämlich die erfolglose außergerichtliche Zahlungsaufforderung an den Unfallgegner, eine erfolglose Klage gegen diesen oder die erfolglose Vollstreckung eines erwirkten Titels. Die Intransparenz könne nicht durch Heranziehung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB beseitigt werden, weil Transparenzgebot und Unklarheitenregel selbstständig nebeneinanderstünden. Für den Geschädigten sei bei Abschluss des Vertrages nicht erkennbar, unter welchen Voraussetzungen er selber auf Zahlung (restlicher) Sachverständigenvergütung in Anspruch genommen werden könne.
[5] Die Unwirksamkeit der Ziffer 2 führe a...