VVG § 157; AVB-WSR A 5.3 B II 6
Leitsatz
Der Deckungsausschluss der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung für Steuerberater (Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte), der Verstöße im Bereich des unternehmerischen Risikos betrifft, setzt hinreichend sichere Umstände voraus, dass es später zum Erwerb eigennütziger Anteile kommen soll.
BGH, Urt. v. 17.4.2024 – IV ZR 257/22
1 Sachverhalt
Die Kl. nimmt den beklagten VR aus einer Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung in Anspruch, nachdem über das Vermögen der mitversicherten T GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist.
Dem Versicherungsvertrag lagen die AVB und BBR zur Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Steuerberater, Rechtsanwälte und Patentanwälte (AVB-WSR) zugrunde. Gemäß Teil 1 A. § 1 I. der AVB-WSR bietet der VR dem VN Versicherungsschutz für den Fall, dass er wegen eines bei der Ausübung beruflicher Tätigkeit begangenen Verstoßes von einem anderen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts für einen Vermögensschaden verantwortlich gemacht wird.
Teil 3 der AVB-WSR enthält die Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen für Steuerberater (BBR-S). Er lautet auszugsweise:
“A. Besondere Bedingungen
5. Ausschlüsse
5.3 Haftpflichtansprüche aus unternehmerischem Risiko
Der Versicherungsschutz bezieht sich nicht auf Haftpflichtansprüche wegen Schäden, die dadurch entstanden sind, dass
a) der VN im Bereich eines unternehmerischen Risikos, das sich im Rahmen der Ausübung einer versicherten Tätigkeit ergibt, einen Verstoß begeht, z.B. als Insolvenzverwalter bei der Fortführung eines Unternehmens, als Testamentsvollstrecker, so weit ein gewerbliches Unternehmen zum Nachlass gehört,
B. Risikobeschreibung für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Steuerberatern
II. Der Versicherungsschutz erstreckt sich auch auf die Tätigkeiten, die nach § 57 Abs. 3 Nr. 2, 3 und 6 StBerG mit dem Beruf vereinbar sind, und zwar
6. Tätigkeit als nicht geschäftsführender Treuhänder; …“
Mit Beitrittserklärung vom 9.11.2005 beteiligte sich die Kl. in Höhe von nominal 20.000 EUR zzgl. Agio über die Versicherte als Treuhandkommanditistin an der E P M GmbH & Co. KG IV Fondsgesellschaft. Die Versicherte war am 2.11.2005 als Kommanditistin der Fondsgesellschaft in das Handelsregister eingetragen worden und fungierte zudem als deren Mittelverwendungskontrolleurin.
Im Gesellschaftsvertrag der Fondsgesellschaft heißt es auszugsweise:
“§ 5 Kommanditkapital, Kapitalerhöhung
3. Die Treuhandkommanditistin kann im Hinblick auf ihren Kommanditanteil, jedoch nicht in Höhe des eigennützig gehaltenen Anteils, mit natürlichen und juristischen Personen Treuhandverträge … abschließen …
§ 6 Erbringung der Kapitaleinlagen
1. Die Kommanditeinlage der Gründungskommanditistin ist erbracht. Die eigennützige Kommanditeinlage der Treuhandkommanditistin ist sofort zur Einzahlung fällig.
…“
Die Versicherte erhielt für jedes Geschäftsjahr eine Vergütung als Treuhänderin und als Mittelverwendungskontrolleurin, abhängig von der Summe der im betreffenden Geschäftsjahr eingezahlten Pflichteinlagen der Fondsgesellschaft.
Am 1.4.2018 wurde über das Vermögen der Versicherten das Insolvenzverfahren eröffnet.
Mit ihrer Klage erstrebt die Kl. den Ausgleich ihrer Schadensersatzansprüche auf der Grundlage von § 157 VVG in der bis 31.12.2007 geltenden Fassung, Die Bekl. hat eingewandt, es handele sich nicht um eine versicherte Tätigkeit. Zudem sei die Versicherte unternehmerisch tätig geworden. In den Vorinstanzen ist die Klage erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt die Kl. ihr Klagebegehren weiter.
2 Aus den Gründen:
[12] 1. Mit der gegebenen Begründung hat das BG nicht annehmen dürfen, der Versicherungsschutz sei nach Teil 3 A. 5.3 a) BBR-S ausgeschlossen.
[13] Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils in einem Verfahren zweier weiterer Anleger der Fondsgesellschaft gegen die Bekl. entschieden und im Einzelnen begründet hat, ergibt die Auslegung von Teil 3 A. 5.3 a) BBR-S, dass ein Verstoß im Bereich eines unternehmerischen Risikos begangen ist, wenn der Steuerberater entweder in einem fremden Unternehmen unternehmerisch tätig geworden ist oder eine unternehmerische Investitionsentscheidung des Steuerberaters sein dem Verstoß zugrundeliegendes Verhalten beeinflusst hat (Senat VersR 2024, 240).
Ein als Treuhandkommanditist tätiger Steuerberater, dem ein gesellschaftsvertraglich begründetes Anrecht auf Erwerb eines eigennützigen Kommanditanteils zusteht, begeht danach mit einer fehlerhaften Beratung von Anlegern im Zusammenhang mit dem Fondsbeitritt erst dann einen Verstoß im Bereich eines unternehmerischen Risikos im Sinne von Teil 3 A. 5.3 a) BBR-S, wenn im Zeitpunkt der fehlerhaften Beratung jedenfalls hinreichend sichere Umstände für den späteren Erwerb des eigennützigen Anteils feststehen (Senat a.a.O.).
[14] Damit ist die Entscheidung des BG nicht zu vereinbaren. Der Zweck der Risikoausschlussklausel, von einem unternehmerischen Risiko beeinflusste Entscheidungen des Versicherten vo...