VVG § 204 Abs. 2 § 205 Abs. 1, Abs. 2 S. 2, Abs. 6 S. 1
Leitsatz
1. Der Eintritt in die gesetzliche Krankenversicherung gilt jedenfalls auch dann als "Abschluss eines neuen Vertrags" im Sinne des § 205 Abs. 6 Satz 1 VVG, wenn ein privater Krankenversicherungsvertrag nach § 205 Abs. 1 VVG ordentlich gekündigt wurde und erst während der Restlaufzeit die gesetzliche Versicherungspflicht zur Entstehung gelangt.
2. Ist in einem solchen Fall der erforderliche Nachweis nach § 205 Abs. 6 Satz 1 VVG fristgerecht erbracht, ist ein (zusätzlicher) Nachweis über das Bestehen einer gesetzlichen Versicherungspflicht nach § 205 Abs. 2 Satz 2 VVG entbehrlich.
3. Wird während der Restlaufzeit nach erklärter Kündigung der Wechsel in den Basistarif nach § 204 Abs. 2 VVG beantragt, beseitigt dies die Kündigungswirkungen nicht. Ein neuer Versicherungsvertrag, der einer erneuten Kündigung bedürfte, wird durch den Tarifwechsel nicht begründet.
OLG Hamm Beschl. v. 20.9.2023 – 20 W 15/23
1 Sachverhalt
Die Kl. nimmt den Beklagten aus einem zur Vertragsnummer xxx abgeschlossenen privaten Krankenversicherungsvertrag auf Zahlung rückständiger Versicherungsbeiträge für den Zeitraum 1.3.2021 bis 2.12.2021 in Anspruch.
Der Bekl. kündigte den Versicherungsvertrag zum 1.10.2020 wegen der reduzierten Beitragsrückerstattung 2019, wobei die Kl. mit Schreiben vom 10.8.2020 den Eingang bestätigte, die Kündigung jedoch zurückwies, da ein Nachweis bezüglich der Folgeversicherung nicht vorlag und im Übrigen die Kündigung nur zum 1.3.2021 erfolgen könne.
Mit E-Mail vom 23.9.2020 teilte der Bekl. der Kl. mit, in den Basistarif wechseln zu wollen. Mit Schreiben vom 28.9.2020 übersandte die Kl. dem Bekl. das entsprechende Antragsformular sowie Informationsblätter und die Informationsbroschüre zum Basistarif. Mit weiteren Schreiben vom 22.10.2020 erinnerte die Kl. den Bekl. an die Erledigung des Schreibens vom 28.9.2020 und übersandte außerdem die gewünschte Aufstellung zu den verschiedenen Selbstbehalten im Basistarif. Mit Antrag vom 21.10.2020 beantragte der Bekl. den Wechsel in den Basistarif BTN0 und wies sogleich die bestehende Hilfebedürftigkeit nach. Mit Schreiben vom 30.11.2020 übersandte die Kl. sodann den Versicherungsschein vom 30.11.2020 und erneut die Kundeninformation zur Krankenversicherung. Der Gesamtmonatsbeitrag für die Versicherung ab dem 1.1.2021 betrug als halbierter Basistarif wegen nachgewiesener Hilfebedürftigkeit 384,58 EUR.
Ausweislich § 13 der AVB für den Basistarif kann der VN das Versicherungsverhältnis ordentlich zum Ende eines jeden Versicherungsjahres, frühestens aber zum Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer von 18 Monaten, mit einer Frist von drei Monaten kündigen.
Der Bekl. übersandte der Kl. schließlich ein Schreiben der AOK vom 4.2.2021, welches bei der Beklagten am 11.2.2021 einging. Hierüber verhält sich das Schreiben der Kl. vom 17.2.2021, die darauf hinwies, dass eine schriftliche Kündigung zu erfolgen hätte. Zudem seien weitere Nachweise über die gesetzliche Versicherung zu erbringen. Gleiches teilte die Kl. dem Bekl. mit Schreiben vom 13.3.2021 mit. Ob diese Unterlagen tatsächlich übersandt wurden, ist zwischen den Parteien streitig.
Die Kl. erstellte unter dem 26.5.2021 einen Versicherungsschein, wonach der Beitrag 769,16 EUR beträgt. Aufgrund des Zahlungsverzuges und mangels Nachweises der Hilfebedürftigkeit wurde der Krankheitskostenversicherungsvertrag ruhend gestellt und der Bekl. im Notlagentarif versichert, § 193 Abs. 6 VVG.
Der Bekl. meint, das Vertragsverhältnis sei wirksam zum 1.3.2021 gekündigt.
2 Aus den Gründen:
Die Kl. nimmt den Beklagten auf vermeintlich rückständige Prämien aus einer privaten Krankenversicherung für den Zeitraum von März 2021 bis einschließlich Dezember 2021 in Anspruch. Der Bekl. wendet ein, die Krankenversicherung wirksam gekündigt zu haben. Diese Rechtsverteidigung bietet nach dem bisherigen Sach- und Streitstand hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).
1. Der Bekl. hat den Versicherungsvertrag wirksam zum 28.2.2021 gekündigt.
a) Unstreitig hat der Bekl. den Versicherungsvertrag mit Kündigungsschreiben vom 29.7.2020 gekündigt, wobei von ihm eine Kündigung mit Wirkung zum 1.10.2020 gewünscht war. Hierbei handelte es sich um eine ordentliche Kündigung gem. § 205 Abs. 1 VVG (siehe § 13 Abs. 1 AVB).
Der Umstand, dass die Kündigung wegen der Kündigungsfrist des § 205 Abs. 1 Satz 1 VVG nur zum 28.2.2021 Wirkung entfalten konnte, steht der Wirksamkeit der Kündigung nicht entgegen. Die Klärung der Streitfrage, ob und bejahendenfalls unter welchen Voraussetzungen eine zum Wunschzeitpunkt unwirksame Kündigung in eine Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt umgedeutet werden kann (siehe dazu Langheid/Wandt/Fausten, VVG, 3. Aufl. 2022, § 11 Rn 138 ff.), kann nicht in das Prozesskostenhilfeverfahren verlagert werden. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Kl. mit ihrem Schreiben vom 10.8.2020 die Kündigung nicht wegen eines zu frühen Beendigungszeitpunkts, sondern allein wegen der bislang fehlenden Bescheinigung des Nachfolgeversichere...