Dem Kl. dürfte gegenüber der Bekl. ein Anspruch auf Gewährung von Deckungsschutz für die Durchführung des Berufungsverfahrens vor dem OLG Z zustehen gemäß § 125 VVG i.V.m. §§ 1, 17 Abs. 1, 2 VRB 1999. Die angefochtene Entscheidung dürfte daher abzuändern sein.

Die Bekl. dürfte sich nicht auf ungenügende Erfolgsaussichten des Berufungsverfahrens berufen können, denn sie hat ihre Ablehnung der Deckung entgegen § 17 Abs. 2 VRB dem Kl. nicht unverzüglich mitgeteilt.

Nach § 17 Abs. 2 der zwischen den Parteien vereinbarten VRB muss der VR dem Versicherten die Ablehnung unter Angabe der Gründe unverzüglich mitteilen, sobald der Sachverhalt genügend geklärt ist. Geschieht dies nicht, verliert der Rechtschutzversicherer sein Recht, sich auf die fehlenden Erfolgsaussichten zu berufen (std. Rspr., siehe z.B. BGH r+s 2016, 462; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.6.2019 – U 111 /17).

Unverzüglich bedeutet, dass der VR ohne schuldhaftes Zögern tätig werden muss. Die Ablehnung muss innerhalb des Zeitraums vom VR ausgesprochen werden, den er bei sachgerechter, nicht schuldhaft verzögerter Prüfung für seine Entschließung benötigt. Maßgebend ist ein Zeitraum, den der Rechtsschutzversicherer zur sachverständigen Prüfung benötigt, beginnend ab vollständiger Information durch den VN. Für die Prüfung wird in Rechtsprechung und Literatur im Allgemeinen ein Zeitraum von zwei bis drei Wochen angesetzt …). Dabei handelt es sich zwar nicht um eine starre Frist, vielmehr richtet sich der Zeitraum stets nach den Umständen des Einzelfalls. Gleichwohl kann im Grundsatz nur eine Ablehnung innerhalb dieser zwei bis drei Wochen als unverzüglich gewertet werden. Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs insbesondere, wenn es sich nicht um die erstmalige Prüfung der Erfolgsaussichten nach Geltendmachung des Versicherungsfalles handelt (…).

Diese Frist hat die Bekl. überschritten, indem sie auf die Deckungsanfrage der Prozessbevollmächtigten des Kl. vom 23.12.2021 erst am 18.1.2022, mithin nach 26 Tagen reagierte. Der Sachverhalt der Bekl. bereits aus dem erstinstanzlichen Verfahren bekannt, für das sie Deckung erteilt hatte, so dass der Sachverhalt bereits bei Eingang der klägerischen Anfrage am 23.12.2021 geklärt war und die Frist an diesem Tag zu laufen begann.

Entgegen der Ansicht des LG sind nach vorläufiger Bewertung durch die Einzelrichterin keine Anhaltspunkte erkennbar, die eine abweichende Bewertung rechtfertigen würden. Insbesondere ändert an der Fristüberschreitung auch der Umstand nichts, dass zwischen Anfrage und Ablehnung die Weihnachtsfeiertage sowie Neujahr und Heilige Drei Könige lag. Zwar wird vertreten, dass eine Häufung von Feiertagen im Einzelfall dazu führen kann, dass eine geringfügige Überschreitung von drei Wochen nicht zu einer Verfristung führt (OLG Düsseldorf a.a.O.). Allerdings fielen von den vier Feiertagen im Zeitraum zwischen 23.12.2021 und 18.1.2022 drei auf ein Wochenende, so dass sich die Bearbeitung bei der Bekl. feiertagsbedingt allein um einen Tag hätte verzögern können.

Vorliegend ist zudem zu beachten, dass – für die Bekl. erkennbar – die Frist zur Berufungseinlegung bereits am 24.1.2022 (Montag) endete und die Berufungsfrist eine gesetzliche Notfrist ist, die nicht verlängert werden kann. Nach Zugang der Ablehnung am 18.1.2022 (Dienstag) verblieben dem Kl. und seinen Prozessbevollmächtigten somit nur noch drei Werktage, um die Erfolgsaussichten der Berufung zu prüfen, ggf. eine Finanzierung außerhalb der Rechtsschutzversicherung zu klären und Berufung einzulegen. Vor diesem Hintergrund hätte es dem VR oblegen, einer ggf. jahreszeitbedingt ausgedünnten Personaldecke durch eine Priorisierung der Bearbeitung der Rechtsschutzanfragen zu begegnen und jene vorzuziehen und innerhalb von eher zwei als drei Wochen abschließend zu klären, in denen Notfristen laufen.

Eine sachgerechte Prüfung der Erfolgsaussichten des Bezugsverfahrens wäre dann innerhalb der allgemein anerkannten Frist von zwei bis drei Wochen möglich gewesen und hätte im Hinblick auf die berechtigten Interessen des VN erfolgen müssen. Dies gilt umso mehr, als es sich im Bezugsverfahren um einen Sachverhalt handelt, der ein Massenphänomen ist (Diesel-Verfahren), bei denen der Versicherung bekannte rechtliche Fragestellungen lediglich – dies jedoch sorgfältig – auf den jeweils vorliegenden Typ (Hersteller/Motor-Modell/Kaufzeitpunkt …) standardisiert anzuwenden sind.

zfs 7/2024, S. 389 - 390

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