Was die Nutzung der Mautdaten für andere als für Zwecke der Maut betrifft – das noch geltende Recht ist da eigentlich unmissverständlich: Die Sätze 4 und 5 des § 4 Abs. 2 sowie die Sätze 2 und 3 des § 7 Abs. 2 Autobahnmautgesetz beschränken die Nutzung der Daten auf Zwecke der Maut und erklären jede andere Nutzung für unzulässig. Obwohl diese Regelungen von den Parteien der jetzigen Koalition einhellig verabschiedet wurden, gibt es nur kurze Zeit später eine ebenso große Einigkeit in eben dieser Koalition darüber, die Zweckbindung aufzulockern. Als "Anlass" dienten zwei Tötungsdelikte – ganz so als ob es beim Erlass des Gesetzes noch kein Wissen über solche Delikte gegeben hätte. (Der bayrische Datenschutzbeauftragte dürfte bei seiner Warnung vor einem "Eilmarsch in den Überwachungsstaat" wohl richtig gewertet haben, als er formulierte, die entsprechenden Vorstöße von Politikern würden "vordergründig auf Mordfälle gestützt".) Man kann also realistisch prognostizieren, dass die Mautdaten dem polizeilichen Zugriff zugänglich gemacht werden, und man mag sich auch fragen, ob diese Idee tatsächlich erst nach den Taten entstanden ist, die als Anlass oder Vorwand für die entsprechenden Forderungen genutzt wurden. Der Reiz einer solchen gesetzlichen Öffnung der strikten Zweckbindung aus der Sicht datenhungriger staatlicher Instanzen könnte besonders in der Aussicht liegen, dass das Mautsystem auf Pkw ausgedehnt werden könnte – und wer möchte schon dagegen wetten, dass das geschehen könnte?
Nun ist ja nach allen einschlägigen politischen Äußerungen lediglich geplant, die Daten für die Verfolgung schwerster Kapitalverbrechen nutzbar zu machen (und damit natürlich ebenso für entsprechende Präventionsinteressen). Es wird also irgendeine Art Katalog von Anlasstaten geben, deren Verdacht eine solche Datennutzung erlaubt. Beruhigend ist das aber nur für den, der sich mit derartigen Katalogen noch nicht näher befasst hat. Solche Kataloge haben sich bisher, um ein altes Bild zu benutzen, wie Ölflecke auf einer Pfütze verhalten – sie dehnten sich immer weiter aus. In einer diesem Institut der Kataloge gewidmeten Arbeit aus dem Jahre 2001 heißt es dazu: "Seit seiner Einführung im Jahre 1968 ist § 100a StPO 20 mal geändert worden. 18 Änderungen betrafen den Straftatenkatalog … wobei Änderung regelmäßig Erweiterung bedeutete." Inzwischen sind noch einige Änderungsgesetze – durchweg mit ausdehnender Tendenz – hinzugekommen, und der zur Zeit gerade geltende Katalog hat mit dem ursprünglichen von 1968 nicht mehr viel Verwandtschaft. Ist ein Ermittlungsweg erst einmal eröffnet, wird er offenbar gleichsam naturgesetzlich immer breiter.
Das sollte auch bedacht werden, wenn es rechtspolitisch darum geht, das Kennzeichenscanning in weiteren Bundesländern oder gar bundesrechtlich zuzulassen. Die Erfahrungen mit den Lichtbildern der Meldebehörden und mit dem, was sich bei den Mautdaten abzeichnet, sollten da warnen: Hat das automatisierte Erfassen von Kennzeichen bewegter Fahrzeuge sich erst einmal rechtlich und technisch etabliert, sind alle möglichen Weiterungen realistisch erwartbar. Technisch dürfte über kurz oder lang mit der Umstellung auf Systeme zu rechnen sein, die sich auf RFID stützen, also auf Funkchips, deren Anbringung an Kraftfahrzeugen zur Pflicht würde; denn diese Technik ist verlässlicher und billiger als die bisher benutzte, und beides dürften in der politischen Debatte dann wirksame Eigenschaften sein. Rechtlich könnten die bisher allein genannten präventiven Zwecke als nicht ausreichend aufgedeckt werden, wenn sich zur allgemeinen Überraschung herausstellt, dass es Kapitalverbrechen gibt, die schwer aufzuklären sind, und dass manchmal Täter solcher Delikte sich für ihre Flucht eines Kraftfahrzeugs bedienen.
Nun ist da, so mag man sich trösten, immerhin noch das Urteil des BVerfG als Schutzwall. Das ist indes ein schwacher Trost, weil das Gericht zwar solche Gesetze kassieren kann, deren Ermächtigungen nicht hinreichend bestimmt sind; eröffnet aber der Gesetzgeber einen weiten Spielraum hinreichend klar und bestimmt, bleibt auch dem Verfassungsgericht nur noch die schwache Waffe der Prüfung der Verhältnismäßigkeit. Schwach ist sie nicht nur, weil das Verfassungsgericht dem Gesetzgeber hier einen weiten Spielraum lässt (und lassen muss), schwach ist sie auch deshalb, weil das Gericht für seine Verhältnismäßigkeitsprüfung maßgeblich auf das Gewicht des Grundrechtseingriffs abzustellen hat und weil es als dafür "bedeutsam" erklärt, "ob der Betroffene einen ihm zurechenbaren Anlass, etwa durch eine Rechtsverletzung, für die Erhebung geschaffen hat oder ob sie anlasslos erfolgt und damit jeden treffen kann."
Die Konsequenz daraus ist eine sehr weitgehende Möglichkeit für eine elektronische Erfassung von Kraftfahrerverhalten. Denn eine "Rechtsverletzung" liegt auch in jedem Verstoß gegen eine Regel des Straßenverkehrsrechts, auch in einem bagatellarischen. So wäre denkbar, auch geringfügige G...