Die Entscheidung liegt auf der Linie bisheriger Urteile des EuGH (vgl. insofern EuGH zfs 2004, 287 [Kapper], zfs 2006, 416 [Halbritter], DAR 2007, 77 [Kremer]. Danach gilt nach wie vor der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung des von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins und zwar ohne jede Formalität. Es bleibt auch dabei, dass dann wenn Deutschland triftige Gründe hat, die die Ordnungsgemäßheit des von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins zu bezweifeln, dies dem anderen Mitgliedstaat im Rahmen der gegenseitigen Unterstützung und des Informationsaustauschs nach Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie 91/439 mitzuteilen ist. Werden danach vom Ausstellermitgliedstaat keine geeigneten Maßnahmen ergriffen, so bleibt das Verfahren nach § 227 EG.
Deutschland kann die Anerkennung aber ablehnen, wenn sich zwar nicht anhand von vom Aufnahmemitgliedstaat stammenden Informationen, aber auf der Grundlage von Angaben im Führerschein selbst oder anderen vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen feststellen lässt, dass die Wohnsitzvoraussetzung zum Zeitpunkt der Ausstellung dieses Führerscheins nicht erfüllt war. Der EuGH anerkennt, dass die Wohnsitzvoraussetzung mangels einer vollständigen Harmonisierung der Regelungen der Mitgliedstaaten über die Erteilung der Fahrerlaubnis u.a. dazu beiträgt, den "Führerschein-Tourismus" zu bekämpfen. Er hält diese Voraussetzung für unerlässlich, um die Einhaltung der Voraussetzung der Fahreignung zu überprüfen. Er geht ferner davon aus, dass die Sicherheit des Straßenverkehrs gefährdet werden könnte, wenn die Wohnsitzvoraussetzung nicht beachtet würde.
Ausdrücklich festgestellt hat der EuGH dann aber auch noch einmal, dass Deutschland als Aufnahmemitgliedstaat nach Entzug einer früheren Fahrerlaubnis, die Erteilung einer Fahrerlaubnis nicht von strengeren nationalen Voraussetzungen abhängig machen darf: Die Anerkennung eines zu einem späteren Zeitpunkt von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins darf nicht allein mit der Begründung abgelehnt werden, dass der Inhaber diesen neuen Führerschein gem. einer nationalen Regelung erlangt hat, die nicht dieselben Anforderungen aufstellt, wie sie in Deutschland vorgesehen ist. Damit bleibt der EuGH hinter dem Schlussantrag von Generalanwalt Bot zurück, der dem Gerichtshof zur Auslegung der Richtlinie 91/439/EWG vorgeschlagen hatte, dass sie es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, "die Anerkennung der Gültigkeit eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins zu verweigern, wenn dem Führerscheininhaber im erstgenannten Mitgliedstaat die Fahrerlaubnis mit der Begründung entzogen wurde, dass er unter Alkohol- oder Drogeneinfluss ein Kraftfahrzeug geführt hat, die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis in Anbetracht der von ihm ausgehenden Gefahr vom Bestehen eines medizinisch-psychologischen Tests abhängig gemacht wurde und im Ausstellungsmitgliedstaat kein Test durchgeführt wurde, dessen Niveau dem des im erstgenannten Staat geforderten vergleichbar ist." (vgl. Schlussanträge Bot Rn 114 in zfs 2008, 314, 315).
Mit dieser Entscheidung zum Wohnsitzerfordernis mag sicher einer der "Klassiker der Missbrauchsfälle" erfasst sein. Der Kraftfahrer aber, der unter Erfüllung des Wohnsitzerfordernisses seinen Hauptwohnsitz ins Ausland verlegt, kann danach auch weiterhin unter Umgehung der für ihn in Deutschland zu Erlangung der Fahrerlaubnis notwendigen MPU eine einfachere Prüfung ablegen. In Stein gemeißelt ist dies allerdings nicht. Der Bekämpfung dieses Missstandes des sog. Führerscheintourismus dient Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2006/126/EG, der nach Art. 18 S. 2 der gleichen Richtlinie aber erst ab 19.1.2009 anwendbar ist (vgl. BayVGH zfs 2007, 354, 357). Spätestens dann ist es nicht mehr allein Sache desjenigen Mitgliedstaates, der einen Führerschein ausgestellt hat, geeignete Maßnahmen in Bezug auf diejenigen Führerscheine zu ergreifen, bei denen sich nachträglich herausstellt, dass ihre Inhaber die Erteilungsvoraussetzungen nicht erfüllt haben (BayVGH a.a.O.).
Klaus-Ludwig Haus