SGB VII § 106 Abs. 3 Alt. 1; GG Art. 34; BGB § 839
Leitsatz
1) Wenn zwei freiwillige Feuerwehren nach einem gemeinsamen Einsatzplan ausrücken, um eine Unglücksstelle gemeinsam – wenn auch an verschiedenen Stellen – abzusperren, liegt regelmäßig ein Zusammenwirken von Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen vor.
2) Der Einsatz der freiwilligen Feuerwehr in Bayern ist jedenfalls dann hoheitliche Tätigkeit, wenn Aufgaben des abwehrenden Brandschutzes oder des technischen Hilfsdiensts gem. Art. 1 BayFwG verrichtet werden.
BGH, Urt. v. 18.12.2007 – VI ZR 235/06
Sachverhalt
Der Kläger begehrt Ersatz materiellen und immateriellen Schadens auf Grund eines Verkehrsunfalls vom 3.6.2004, den der Beklagte zu 1) als Fahrer eines bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw allein verschuldete.
Nach einem Lkw-Unfall auf einer Kreisstraße wurden über die Rettungsleitstelle zwei freiwillige Feuerwehren alarmiert. Diese vereinbarten über Funk, die Straße auf einem längeren Teilstück zu sperren. Nach dem Einsatzplan sollte die Sperrung nördlich der Unfallstelle von der Freiwilligen Feuerwehr A. und südlich der Unfallstelle von der Freiwilligen Feuerwehr G. vorgenommen werden. Der Kläger, Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr G, riegelte daraufhin den Verkehr südlich der Unfallstelle an der Einmündung der Bundesstraße B 20 ab. Der Beklagte zu 1), Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr A, war zu Hause alarmiert worden. Er fuhr mit einem privaten Pkw zum Feuerwehrhaus in A. Da er dort niemanden mehr antraf, fuhr er in der irrigen Annahme, der Unfall habe sich auf der B 20 ereignet, auf diese Bundesstraße. Als er seinen Irrtum bemerkte, bog er von der B 20 nach links ab, um auf die Kreisstraße zu gelangen. Dabei stieß er aus Unachtsamkeit mit einem entgegenkommenden Fahrzeug zusammen, schleuderte auf den dort im Einsatz befindlichen Kläger und verletzte diesen schwer.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte hinsichtlich der Beklagten zu 2) Erfolg. Diese verfolgt mit der vom Berufungsgericht insoweit zugelassenen Revision ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision gegenüber dem Beklagten zu 1) hat der erkennende Senat durch Beschl. v. 25.9.2007 zurückgewiesen.
Aus den Gründen
[4] “I. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Beklagte zu 1) sei in Ausübung eines öffentlichen Amtes tätig geworden. Deshalb treffe die Verantwortlichkeit nicht ihn persönlich, sondern gem. § 839 BGB, Art. 34 GG den Träger der Feuerwehr. Die Beklagte zu 2) hafte gem. § 7 Abs. 1 StVG i.V.m. § 3 Nr. 1 PflVG, wobei es nicht darauf ankomme, ob der Beklagte zu 1), seine Ehefrau oder beide Halter des Fahrzeugs gewesen seien. Dieser Anspruch werde von der Haftungsverlagerung gem. Art. 34 S. 1 GG nicht erfasst. Das Haftungsprivileg des § 106 Abs. 3 SGB VII greife nicht ein. Weder hätten die beteiligten Feuerwehren zur Hilfe bei Unglücksfällen “zusammengewirkt’ (Alt. 1), noch seien der Kläger und der Beklagte zu 1) auf einer “gemeinsamen Betriebsstätte’ tätig gewesen (Alt. 3). Da ihre Einsatzorte weit voneinander entfernt gelegen hätten, habe eine Gefahrengemeinschaft nicht bestanden.
[5] II. Die angefochtene Entscheidung hält den Angriffen der Revision nicht stand. Eine Haftung der Beklagten zu 2) ist aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet.
[6] 1. War der Beklagte zu 1), was das Berufungsgericht offen gelassen hat, Halter des von ihm gefahrenen Fahrzeugs, scheiden Ersatzansprüche des Klägers gegen den zweitbeklagten Haftpflichtversicherer aus, weil der Beklagte zu 1) selbst nicht haftbar ist. Seine Ersatzpflicht ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nach § 106 Abs. 3 Alt. 1 i.V.m. § 105 Abs. 1 SGB VII ausgeschlossen.
[7] a) Nach § 106 Abs. 3 Alt. 1 SGB VII gelten, wenn Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen zusammenwirken, die §§ 104 und 105 SGB VII für die Ersatzpflicht der für die beteiligten Unternehmen Tätigen untereinander. Freiwillige Feuerwehren, die im früheren § 637 Abs. 2 RVO noch ausdrücklich genannt wurden, sind “Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen’ i.S.v. § 106 Abs. 3 Alt. 1 SGB VII (Kasseler Kommentar/Ricke, 53. Lfg. 2007, § 128 Rn 3a). Als solche werden sie in Bayern jedenfalls dann tätig, wenn sie Pflichtaufgaben nach Art. 1 Abs. 1 BayFwG erfüllen. Das war vorliegend der Fall, denn zu diesen Aufgaben gehört neben dem abwehrenden Brandschutz der technische Hilfsdienst, also die im öffentlichen Interesse liegende “ausreichende technische Hilfe bei sonstigen Unglücksfällen’, zu denen auch Verkehrsunfälle zählen (Forster/Pemler, Bayerisches Feuerwehrgesetz, 29. Lfg. 2003, Art. 1 Rn 45).
[8] b) Die im Streitfall alarmierten Feuerwehren haben i.S.v. § 106 Abs. 3 Alt. 1 SGB VII “zusammengewirkt’, denn nach dem Einsatzplan sollten beide Feuerwehren ausrücken und die Unglücksstelle gemeinsam – wenn auch an verschiedenen Stellen – absperren.
[9] aa) Ein solches Verständnis des Begriffs “Zusammenwirken’ entspricht sowohl dem Wortlaut als auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Der Gesetzgebe...