BGB § 328 § 823
Leitsatz
1) Die Übertragung der Streupflicht durch den Vermieter auf einen Dritten dient auch der Sicherung des Zugangs zum Mietobjekt. Die dort wohnhaften Mieter können deshalb in den Schutzbereich des Übertragungsvertrages einbezogen sein.
2) Die deliktische Einstandspflicht des mit der Wahrnehmung der Verkehrssicherung Beauftragten besteht auch dann, wenn der Vertrag mit dem Primärverkehrssicherungspflichtigen nicht rechtswirksam zu Stande gekommen ist.
BGH, Urt. v. 22.1.2008 – VI ZR 126/07
Sachverhalt
Die Klägerin hat die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von materiellem und immateriellem Schadensersatz für die Folgen eines durch Eisglätte verursachten Sturzes verfolgt. Die Klägerin stürzte am 5.2.2001 beim Verlassen des von ihr bewohnten Hauses, weil trotz Schnee- und Eisglätte der Eingangsbereich nicht ausreichend bestreut war, wodurch sie sich erhebliche Verletzungen zuzog. Die Stadt Berlin hatte die ihr obliegende Räum- und Streupflicht auf die Hauseigentümer übertragen. Der Eigentümer des Grundstücks hatte seit über 10 Jahren die Beklagte mit der Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten betraut. Für den Winter 2000/2001 fehlte die nach § 6 Abs. 1 des Straßenreinigungsgesetzes vorgeschriebene Übertragungsanzeige an die Stadt Berlin. Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte auf Grund der Übernahme der Räum- und Streupflicht für die Folgen des Sturzes hafte. Gegen die Beklagte wurde durch Beschl. v. 25.4.2003 das Insolvenzverfahren eröffnet. Das AG kündigte am 7.4.2005 die Restschuldbefreiung und hob am 18.5.2005 nach Abhaltung des Schlusstermins das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten auf. Das LG hat die Klage wegen fehlenden Rechtschutzbedürfnisses abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Klage zwar für zulässig, aber nicht für begründet erachtet. Eine Präklusion von Ansprüchen, die nicht zur Insolvenztabelle angemeldet worden seien, sehe die Insolvenzordnung nicht vor. Das Vollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 InsO stehe der Wirksamkeit der Klageerhebung nicht entgegen, da der Klage eine Vollstreckungswirkung nicht zukomme. Ein Rechtsschutzinteresse könne der Klage auch nicht im Hinblick auf § 301 Abs. 1 InsO abgesprochen werden. Das Berufungsgericht verneinte jedoch eine Haftung der Beklagten, da die Übertragung der Räum- und Streupflicht vom Hauseigentümer auf die Beklagte keine Schutzwirkung zu Gunsten der Klägerin entfaltet habe. Das ergebe sich daraus, dass der Mietvertrag der Klägerin nicht die öffentliche Straße umfasse. Auch eine deliktische Haftung der Beklagten wegen einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht scheide aus, da eine wirksame Übertragung der Verkehrssicherungspflicht wegen der fehlenden Anzeige gegenüber der Stadt Berlin nicht vorliege.
Die Revision führte zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung an das Berufungsgericht.
Aus den Gründen
[6] “Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
[7] 1. Zwar hat das Berufungsgericht mit Recht die Klage für zulässig erachtet. Hierfür besteht ein Rechtsschutzbedürfnis, auch wenn sich die Beklagte in der Wohlverhaltensphase befindet und für die Klägerin das Vollstreckungsverbot nach § 294 Abs. 1 InsO gilt, obwohl die streitgegenständliche Forderung nicht zur Tabelle angemeldet wurde und nicht bei der Verteilung der eingegangenen Beträge durch den Treuhänder berücksichtigt wird (vgl. BGH, Beschl. v. 13.7.2006, WM 2006, 1780 m.w.N.). Mangels Vollstreckungswirkung der Klage kann der Klägerin die Geltendmachung der Forderung aber nicht auf Grund des Vollstreckungsverbots nach § 294 Abs. 1 InsO untersagt werden. Die Parteien befinden sich noch im Erkenntnisverfahren und nicht im Vollstreckungsverfahren. Ein Rechtsschutzinteresse kann der Klägerin auch nicht mit Blick auf die Regelung in § 301 Abs. 1 InsO abgesprochen werden. Danach wirkt die Restschuldbefreiung, wird sie erteilt, gegen alle Insolvenzgläubiger. Dies gilt nach S. 2 der Vorschrift auch für Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben. Ob der Beklagten die begehrte Restschuldbefreiung erteilt werden wird, kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden (vgl. §§ 295 ff. InsO). Würde die Restschuldbefreiung versagt, könnten die Insolvenzgläubiger sofort gegen die Beklagte aus der Eintragung in die Tabelle vollstrecken (§ 201 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 und 2 InsO). Das Vollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 InsO stünde dem nicht mehr entgegen (vgl. § 299 InsO). Würde die Klägerin darauf verwiesen, sie müsse erst die Versagung bzw. den Widerruf einer bereits erteilten Restschuldbefreiung abwarten, um den Rechtsstreit fortzusetzen, würde sie gegenüber den anderen Gläubigern, die sofort vollstrecken dürfen und könnten, benachteiligt. Dies ist nicht Sinn und Zweck der Regelungen der §§ 294 Abs. 1, 301 Abs. 1 InsO (vgl. BGH, Urt. v. 28.6.2007, WM 2007, 1844, 1845; Brandenburgisches OLG, Urt. v. 12.12.2007, Rn 14/17 juris; LG Arnsberg NZI 2004, 515, 516; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 87 Rn 3). Entgegen der Auffassung der Revisions...