1. Die Entscheidung betrifft "an sich" eine sich künftig nicht mehr stellende Frage: die aus der "Relevanzrechtsprechung" folgende Notwendigkeit einer Belehrung des Versicherungsnehmers bei einer vorsätzlichen, folgenlosen Verletzung der Aufklärungsobliegenheit. Fehlt sie oder ist sie unzulänglich, schadet das bei Arglist des Versicherungsnehmers nicht. Nach neuem Recht – § 28 Abs. 4 VVG – ist allerdings stets eine (zutreffende und vollständige) Belehrung Voraussetzung dafür, dass sich der Versicherer nach einer Verletzung einer Aufklärungsobliegenheit auf Leistungsfreiheit berufen darf. Entgegen dem Wortlaut des Gesetzes schaden aber auch weiterhin "Belehrungsfehler" bei Arglist nicht. Das ergibt sich aus der Gesetzesbegründung und aus der Konzeption des neuen VVG, die einen Schutz des Versicherungsnehmers bei Arglist generell nicht für erforderlich hält.

2. Das ist besonders wichtig für den Kausalitätsgegenbeweis in Fällen der Verletzung von Aufklärungsobliegenheiten (§ 28 Abs. 3 VVG). Leistungsfreiheit scheidet danach aus, wenn die Obliegenheitsverletzung für die Feststellung des Versicherungsfalls oder des Umfangs der Leistungspflicht nicht ursächlich "ist". Danach scheint eine beliebige, bis in den Rechtsstreit hinreichende "Reue" des Versicherungsnehmers möglich zu sein. Jedoch spricht sehr viel dafür, den Zeitpunkt der abschließenden Regulierungsentscheidung des Versicherers für maßgeblich zu erachten und ein späteres Nachholen der Aufklärung nur noch in Ausnahmefällen nach § 242 BGB zuzulassen.

Im Übrigen gilt es sich künftig noch mehr daran zu erinnern, dass Arglist – so die BGH-Entscheidung – kein vom Versicherer nachzuweisendes betrügerisches Verhalten, das die Absicht rechtswidriger Bereicherung einschließen würde, voraussetzt, sondern

  • objektiv falsche oder unvollständige Angaben des Versicherungsnehmers
  • deren Unzulänglichkeit der Versicherungsnehmer kennt

(beides muss der Versicherer beweisen) und

  • das Wissen des Versicherungsnehmers um die Verletzung der Obliegenheit,
  • den Willen, sie zu missachten und
  • das Wissen und den Willen, damit auf die Regulierungsentscheidung Einfluss zu nehmen.

Das muss der Versicherer beweisen. Dabei hilft ihm allerdings eine sekundäre Darlegungslast des Versicherungsnehmers: Er muss erklären, aus welchen Gründen es zu der Unzulänglichkeit der Aufklärung gekommen ist; kann er das nicht plausibel entschuldigen, ist von Arglist auszugehen.

3. Die Entscheidung des BGH hält weiter für möglich, dass die Versicherungsmaklerin die (erste, falsche) Schadenanzeige ausgefüllt hat und die Versicherungsnehmerin sie lediglich ungelesen unterzeichnet hat. Hat allerdings die Versicherungsmaklerin von den verschwiegenen Vorbehandlungen der Versicherten gewusst, ist das der Versicherungsnehmerin zuzurechnen (§ 166 Abs. 1 BGB). Die Überlegungen des BGH zeigen indessen, dass ein Versicherungsnehmer, der seinen Versicherer falsch informiert, auch bei Einschaltung eines Versicherungsmaklers nicht notwendigerweise Versicherungsschutz verliert. Vertraut er auf das Vorgehen des Versicherungsmaklers, kann Arglist ausscheiden.

Prof. Dr. Rixecker

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