I. Einleitung
Das europäische Führerscheinrecht ist erneut in Bewegung geraten. Zunächst hat die Tätigkeit des EuGH in diesem Rechtsgebiet nochmals Fahrt aufgenommen. Waren es zuvor nur drei Leitentscheidungen, die die Rechtsprechung prägten, so kamen 2008 und 2009 fünf weitere Entscheidungen hinzu. Die bereits am 29.7.1991 erlassene 2. Führerschein-Richtlinie gewinnt erst jetzt richtig an Bedeutung, nachdem ihre Ablösung durch die 3. Führerschein-Richtlinie begonnen hat. Deren Umsetzung in das nationale deutsche Recht durch die Neufassungen der §§ 20, 28, 30 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) hat neue Brennpunkte geschaffen.
Der deutsche Gesetzgeber hat nunmehr in § 28 FeV geregelt, dass eine ausländische Fahrerlaubnis in Deutschland nicht mehr gilt, wenn dem Inhaber zuvor in Deutschland die Fahrerlaubnis entzogen wurde und diese Entscheidung im VZR noch nicht getilgt ist. Ob damit allerdings schon das Ende des Führerscheintourismus gekommen ist, wird abzuwarten sein. Die Vereinbarkeit der neuen Bestimmungen der FeV mit den europarechtlichen Vorgaben erscheint zweifelhaft. Ob es mit den Grundsätzen der Freizügigkeit zu vereinbaren ist, dass jeder EU-Bürger, der längst wieder eine ausländische Fahrerlaubnis besitzt, in Deutschland auch lange nach Ablauf der Sperrfrist nicht fahren darf, nur weil ihm vor zehn oder fünfzehn Jahren in Deutschland die Fahrerlaubnis entzogen wurde, ist zu hinterfragen.
Besondere Bedeutung besitzt dabei der Umstand, dass die 2. Führerschein-Richtlinie vom Grundsatz her weiterhin bis zum 13.1.2013 gilt und die 3. FS-Richtlinie in dieser Frage erhebliche – vom Wortlaut her unauflösbare – Widersprüche enthält.
II. Grundsätze des europäischen Führerscheinrechts
Die bisher zur 2. Führerschein-Richtlinie ergangenen Entscheidungen des EuGH basierten im Wesentlichen auf den drei Grundsätzen dieser Richtlinie:
- Gegenseitige Anerkennung der Fahrerlaubnis aus jedem anderen Mitgliedsstaat (Art. 1)
- Zuständigkeit des Wohnsitzstaates für die Erteilung (Art. 7)
- Zulässigkeit von Beschränkungen oder Verweigerung der Anerkennung der ausländischen Fahrerlaubnis nach Führerscheinmaßnahmen (Art. 8)
Diese Grundsätze sind auch in der 3. Führerschein-Richtlinie enthalten, allerdings in etwas modifizierter Form.
- Art. 2 bestätigt den Grundsatz der formlosen gegenseitigen Anerkennung der Fahrerlaubnis aus jedem anderen Mitgliedsstaat. Lediglich bei einem Wohnsitzwechsel kann nach Ablauf von 2 Jahren die Gültigkeitsdauer auf diejenige des neuen Wohnsitzstaates beschränkt werden.
- Art. 7 Abs. 1e) weist weiterhin die ausschließliche Zuständigkeit für die Ausstellung des Führerscheins dem Wohnsitzstaat zu.
- Art. 11 enthält nunmehr etwas erweiterte Befugnisse für die Mitgliedsstaaten, die Anerkennung eines ausländischen Führerscheins zu verweigern, wenn dem Besitzer zuvor die Fahrerlaubnis entzogen worden war.
Im Spannungsfeld dieser Grundsätze der 2. Führerschein-Richtlinie entwickelten sich in den letzten Jahren erhebliche Probleme bei der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis. Konkret ging es darum, dass die in §§ 20, 11–14, FeV vorgesehenen medizinisch-psychologischen Untersuchungen durch Führerscheinbewerber umgangen wurden, indem diese noch während des Laufes oder nach Ablauf der deutschen Sperrfrist im Ausland eine neue Fahrerlaubnis erwarben. Da einige EU-Staaten das Wohnsitzerfordernis großzügig prüften oder infolge verzögerter Umsetzung der EU-Richtlinie in das nationale Recht überhaupt nicht beachteten, entstand ein regelrechter Führerscheintourismus. Sog. Ferienfahrschulen warben ganz offen im Internet damit, binnen eines Kurzaufenthaltes von zwei bis drei Wochen in einem anderen EU-Staat die dortige Fahrerlaubnis zu erwerben. Die damit verbundene massive Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit durch ungeeignete Kraftfahrer bewog die deutschen Verwaltungsbehörden, einer ausländischen Fahrerlaubnis die Anerkennung zu verweigern, wenn sie nach dem Entzug der deutschen Fahrerlaubnis im Ausland erworben wurde und der Betroffene die deutsche Fahrerlaubnis nur nach erfolgreicher medizinisch-psychologischer Untersuchung erhalten hätte. Die deutschen Strafgerichte nahmen in diesen Fällen Fahren ohne Fahrerlaubnis an, auch wenn der Angeklagte eine gültige ausländische Fahrerlaubnis vorweisen konnte.
III. Änderungen der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV)
Der deutsche Gesetzgeber, auf dessen Betreiben die erweiterten Befugnisse zur Ablehnung ausländischer Führerscheine in Art. 11 der 3. Führerschein-Richtlinie aufgenommen wurden, hat durch die Neufassung der §§ 20, 28 und 30 FeV von den Möglichkeiten, die diese Vorschrift dem Wortlaut nach gewährt, Gebrauch gemacht.
§ 20 Abs. 3 FeV sieht vor, dass die deutschen Behörden es ablehnen, eine Fahrerlaubnis auszustellen, wenn dem Bewerber zuvor in einem anderen EU-Mitgliedstaat oder einem anderen Vertragsstaat des EWR eine EU- oder EWR-Fahrerlaubnis vorläufig oder rechtskräftig von...