BGB § 249 Abs. 2 S. 1
Leitsatz
Der Geschädigte kann vom Schädiger die fiktiven Kosten der Reparatur seines Pkw auch dann verlangen, wenn das Fahrzeug bei einem späteren Unfall am gleichen Karosserieteil zusätzlich beschädigt worden ist, die Reparatur des Zweitschadens zwangsläufig zur Beseitigung des Erstschadens geführt hat und der Kaskoversicherer des Geschädigten auf Grund seiner Einstandspflicht für den späteren Schaden die Reparaturkosten vollständig erstattet hat.
BGH, Urt. v. 12.3.2009 – VII ZR 88/08
Sachverhalt
Der Kläger begehrt von der Beklagten Ersatz eines Schadens, der an seinem Pkw in der Waschanlage der Beklagten entstanden sein soll.
Am 10.6.2006 ließ der Kläger seinen Pkw in der Waschanlage der Beklagten waschen. Nach Ende des Waschvorgangs zeigte er dem Bedienungspersonal der Waschanlage an, dass die Frontschürze vorne links vom vorderen Kotflügel ca. 10 cm abgerissen, im 90°-Winkel abgeknickt und eingerissen sei. Ob dieser Schaden von der Waschanlage verursacht wurde, ist zwischen den Parteien streitig.
Der Kläger begehrt Ersatz des Schadens, den er nach einem Kostenvoranschlag inklusive Kostenpauschale mit insgesamt 1.148,35 EUR netto beziffert. Nach Klageerhebung verursachte die Ehefrau des Klägers am 28.12.2006 mit dem streitgegenständlichen Fahrzeug einen Auffahrunfall, durch den die Frontschürze vollständig funktionsunfähig wurde. Der Kläger ließ die Frontschürze erneuern, wodurch auch die bereits vorhandene Beschädigung ohne Mehrkosten behoben wurde. Die Kosten der Reparatur erhielt der Kläger von seinem Vollkaskoversicherer erstattet, den er über den Vorschaden an der Frontschürze nicht informierte.
Das AG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Anspruch in vollem Umfang weiter.
Aus den Gründen
Aus den Gründen: [5] „Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
[6] I. Das Berufungsgericht lässt offen, ob ein Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte entstanden ist. Ein solcher Anspruch auf Ersatz der fiktiven Reparaturkosten sei zwar nicht durch den Unfall vom 28.12.2006 untergegangen. Der Kläger habe jedoch seinen Anspruch durch die Leistung seiner Vollkaskoversicherung verloren. Obwohl die Versicherung nicht wegen des ersten, sondern wegen des zweiten Schadensereignisses gezahlt habe, habe diese Leistung Tilgungswirkung auch für die Beklagte. Der Zweitschaden umfasse der Höhe nach vollständig den Erstschaden. Die zu seiner Beseitigung durchgeführten Arbeiten seien auch für die Reparatur des Erstschadens erforderlich gewesen. Es könne dahinstehen, ob die Beklagte und die Kaskoversicherung echte oder unechte Gesamtschuldner seien. Jedenfalls bestehe zwischen ihnen Leistungsidentität.
[7] II. Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Beklagte ist von einer Pflicht, dem Kläger den möglicherweise am 10.6.2006 entstandenen Schaden zu ersetzen, nicht frei geworden.
[8] 1. Für das Revisionsverfahren ist davon auszugehen, dass dem Kläger wegen der Beschädigung seines Pkw in der Waschanlage ein Schadensersatzanspruch in Höhe der fiktiven Reparaturkosten gegen die Beklagte erwachsen ist.
[9] 2. Der Kläger hat diesen Anspruch nicht nachträglich verloren.
[10] a) Das gilt zunächst für den vom Berufungsgericht angenommenen Fall, dass der Unfall vom 28.12.2006 den in der Waschanlage entstandenen Schaden erweitert hat und der Kaskoversicherer für den gesamten Schaden eintrittspflichtig ist.
[11] aa) Die Leistung des Kaskoversicherers hat den Anspruch des Klägers gegen die Beklagte nicht getilgt.
[12] (1) Eine Erfüllungswirkung nach § 422 Abs. 1 BGB ist nicht eingetreten. Der Kaskoversicherer des Klägers und die Beklagte sind keine Gesamtschuldner i.S.v. § 421 BGB. Zwischen ihnen besteht schon keine gleichstufige Verbundenheit hinsichtlich ihrer Verpflichtung zum Schadensausgleich, die zu einer gesamtschuldnerischen Haftung führen könnte (vgl. BGH, Urt. v. 26.6.2003 – VII ZR 126/02, BGHZ 155, 265, 268). Die Beklagte haftet als Schädiger. Der Versicherer ist aus dem mit dem Kläger geschlossenen Versicherungsvertrag einstandspflichtig.
[13] (2) Eine Befreiung der Beklagten von ihrer Verpflichtung gegenüber dem Kläger könnte daher durch die Leistung des Versicherers nur eingetreten sein, wenn, wie die Revisionserwiderung mit dem AG meint, der Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte nach dem Versicherungsvertragsgesetz, das nach Art. 1 Abs. 2 EGVVG auf bis zum 31.12.2008 eingetretene Versicherungsfälle in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung anzuwenden ist, auf den Kaskoversicherer übergegangen wäre. Dies ist indes nicht der Fall.
[14] Auf den Versicherer gehen nach § 67 Abs. 1 VVG a.F. diejenigen Ansprüche über, die den durch den Versicherungsfall eingetretenen wirtschaftlichen Schaden ersetzen sollen (BGH, Urt. v. 24.11.1971, VersR 1972, 194, 195 f.; Prölss, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 67 Rn 3). Der Versicherungsfall,...