VVG § 3 Abs. 3 S. 1; BGB § 666
Der Versicherer ist verpflichtet, dem Erben des Versicherungsnehmers Auskunft über das Bestehen und über Einzelheiten der Erfüllung von Bezugsrechten zu erteilen.
OLG Saarbrücken, Urt. v. 3.10.2010 – 5 U 233/09
Der Kläger ist Nachlassinsolvenzverwalter über den Nachlass des am 9.3.2007 verstorbenen M S, für dessen unbekannte Erben zuvor durch Beschluss des AG F Nachlasspflegschaft angeordnet war. Der Erblasser hatte bei der Beklagten drei Lebensversicherungen unterhalten. Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte in Bezug auf diese Lebensversicherungsverträge gegenüber dem Kläger über die Einräumung und Ausgestaltung der Bezugsrechte und über die Erbringung von Versicherungsleistungen zur Auskunft verpflichtet ist.
Aus den Gründen:
"… Die Berufung der Beklagten hat in überwiegendem Umfang Erfolg, weil das LG das Bestehen von Auskunftspflichten der Beklagten zu Recht bejaht hat …"
1. Hinsichtlich der Bestimmung von Bezugsrechten hat das LG einen Auskunftsausspruch zutreffend aus § 3 Abs. 3 S. 1 VVG a.F. hergeleitet. Die Bestimmung und der Widerruf von Bezugsrechten sind ebenso wie Abtretungserklärungen als vertragsbezogene Erklärungen anzusehen (vgl. Prölss/Martin, § 3 Rn 49), von denen der Versicherungsnehmer – über eine reine Auskunftserteilung hinaus – nach der genannten Bestimmung jederzeit Abschriften fordern kann.
a) Dieser Anspruch dient vorrangig der Durchsetzung des Gefahrtragungsanspruchs, daneben aber auch der Durchsetzung weiterer selbständiger Ansprüche wie z.B. auf Zinsen, auf Schadensersatz wegen Vertragsverletzungen oder auf Prämienrückgewähr (vgl. OLG Köln RuS 1989, 171; Bruck/Möller, § 3 Anm. 39). Er besteht deshalb so lange, wie das Versicherungsverhältnis noch nicht beendet und vollständig abgewickelt ist … Da es dem Kläger gerade um die Überprüfung geht, ob und inwieweit eine (ordnungsgemäße) Abwicklung aller vertraglichen Verpflichtungen erfolgt ist und inwieweit möglicherweise noch in den Nachlass gehörende Ansprüche des Versicherungsnehmers bestehen könnten, kann die Beklagte seinem Auskunftsbegehren nicht entgegen halten, durch die Erbringung von Versicherungsleistungen an die jeweils bezugsberechtigten Personen sei eine vollständige Beendigung des Versicherungsverhältnisses eingetreten …
c) Der Anspruch aus § 3 Abs. 3 S. 1 VVG a.F. ist vererblich und kann deshalb auch von den Erben des Versicherungsnehmers geltend gemacht werden (vgl. Prölss, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 3 VVG Rn 49; Bruck/Möller, a.a.O., § 3 Anm. 36); dasselbe gilt für den gem. § 80 Abs. 1 InsO an die Stelle des oder der Erben tretenden Klägers.
d) Allerdings ist der Auskunftsanspruch teilweise – hinsichtlich der Widerruflichkeit oder UnwiderrufIichkeit der eingeräumten Bezugsrechte – durch Erfüllung gem. § 362 Abs. 1 BGB erloschen, da die Beklagte diese Information … unstreitig erteilt hat. Insoweit ist die Klage deshalb abzuweisen …
e) Soweit der Kläger über die vertragsbezogenen Erklärungen zur Einräumung von Bezugsrechten hinaus auch Informationen dazu begehrt, an wen zu welchem Zeitpunkt und in welcher Höhe auf Grund der Bezugsrechte Zahlungen geleistet worden sind, kann er sein Auskunftsverlangen allerdings nicht auf § 3 Abs. 3 S. 1 VVG a.F. stützen. Die Bestimmung beschränkt sich nach ihrem eindeutigen Wortlauf nämlich auf Erklärungen, die der Versicherungsnehmer in Bezug auf den Versicherungsvertrag abgegeben hat.
2. Das LG hat aber zu Recht angenommen, dass der Kläger auch Auskunft über die Einzelheiten der Erfüllung der Bezugsrechte verlangen kann. Allerdings muss er hierfür – anders als nach dem Ansatz des LG auf der Grundlage eines Auskunftsanspruchs aus § 242 BGB … – nicht dartun, ob und welche konkreten Ansprüche oder sonstigen Rechte er hiermit verfolgt, deren Bestehen ernsthaft in Betracht kommt. Soweit der Kläger Informationen über die Einzelheiten der Erfüllung der Bezugsrechte begehrt, kann er sein Auskunftsverlangen nämlich auf die Bestimmung des § 666 BGB stützen. Grundlage hierfür ist das Versicherungsvertragsverhältnis, das im Falle der Bestimmung von Bezugsrechten Elemente einer Geschäftsbesorgung i.S.d. § 675 Abs. 1 BGB aufweist, die es rechtfertigen, die genannte auftragsrechtliche Vorschrift entsprechend heranzuziehen.
a) Die Rspr. hat aus den gesetzlich normierten Fällen der Auskunftspflicht, zu denen insbesondere auch die Vorschrift des § 666 BGB gehört, den Grundsatz abgeleitet, dass derjenige auskunfts- und rechenschaftspflichtig ist, der fremde Angelegenheiten oder solche, die zugleich fremde und eigene sind, besorgt … Für Rechtsverhältnisse dieser Art enthält das Auftragsrecht Grundvorschriften …
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist ein Auskunftsanspruch des Klägers In entsprechender Anwendung des § 666 BGB zu bejahen.
Wird in einem Lebensversicherungsvertrag vereinbart, dass die Leistung nach dem Tode des Versicherungsnehmers an einen Dritten erbracht werden soll oder macht der Versicherungsnehmer nach Vertragsschluss von seiner im Zweifel bestehend...