StPO § 261 § 267
Bei Verwendung des Geschwindigkeitsmessgeräts ES 3.0 ist die "Fotolinie" ein unverzichtbares Element zur Überprüfung der Ordnungsgemäßheit der Geschwindigkeitsmessung. Fehlt die vom Hersteller in seiner Bedienungsanleitung geforderte "nachvollziehbare” gekennzeichnete Fotolinie, ist nicht klar erkennbar, ob es sich bei dem gemessenen Fahrzeug tatsächlich um das Betroffenenfahrzeug handelt und ob die gemessene Geschwindigkeit im Einklang mit der Fotodokumentation vom Betroffenenfahrzeug steht."
(Leitsatz der Schriftleitung)
AG Lübben, Beschl. v. 16.3.2010 – 40 OWi 1321 Js 2018/10 (58/10)
Mit Bußgeldbescheid wird der Betroffenen eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit vorgeworfen.
Auf den Einspruch der Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid spricht das AG die Betroffene frei.
Aus den Gründen:
"… II. … Ausweislich des Messprotokolls vom Tattage wurde ein Geschwindigkeitsmessgerät des Typs ES 3.0 verwandt."
Dieses Messgerät stellt die vom gemessenen Fahrzeug gefahrene Geschwindigkeit dadurch fest, dass das betreffende Fahrzeug mehrere Lichtschranken in Höhe des Sensorkopfes des Messgerätes durchfährt. Der Sensorkopf wird parallel zur Fahrbahn aufgestellt und aus den im rechten Winkel über die Fahrbahn verlaufenden Lichtschranken ergibt sich die Messlinie (in Höhe Sensorkopf-Mitte). Die sog. Fotolinie’ befindet sich 3 m hinter der Messlinie aus Fahrtrichtung des zu messenden Fahrzeuges gesehen.
Das Messgerät ES 3.0 löst nach einem festgestellten Geschwindigkeitsverstoß die Fotodokumentation erst mit Verzögerung aus. Die Fotolinie, welche sich ca. 3 m hinter der Messlinie befindet, und auf die die Kamera auszurichten ist, soll daher sicherstellen, dass das gemessene Fahrzeug hinreichend deutlich fotografisch dokumentiert wird.
Dies ermöglicht eine klare Zuordnung der Messung zu einem Fahrzeug, wenn mehrere Fahrzeuge in kurzem Abstand die Messlinie passieren. Das gemessene Fahrzeug befindet sich dann in der sog. logischen Fotoposition’. Diese ergibt sich aus der Fotolinie, der Position des abgebildeten Fahrzeuges und der gemessenen Geschwindigkeit.
Bei der Überprüfung der logischen Fotoposition kann somit nicht nur festgestellt werden, welchem Fahrzeug ggf. eine Geschwindigkeitsüberschreitung zuzuordnen ist, sondern auch, anhand der Fahrzeugposition im Verhältnis zur Fotolinie, ob die durch das Messgerät ermittelte Geschwindigkeit schlüssig ist.
In der Bedienungsanleitung zu dem Messgerät ES 3.0 heißt es,
[ … ] 8.2.3 Fotolinie
für eine sichere Auswertung wird eine Dokumentation der Fotolinie an der Messstelle benötigt.
Die Fotolinie ist eine gedachte Linie quer zur Fahrbahn und befindet sich ca. 3 m in Fahrtrichtung hinter dem Sensorkopf (Sensorkopfmitte). Die Stelle an der sich diese Linie befindet, ist nachvollziehbar gekennzeichnet (Leitkegel, Reflexfolie, Kreidestriche, Spraydose o.ä.) und fotografisch als Fotolinie mindestens in einem Foto zu Beginn der Messung dokumentiert worden. [ … ]
Nach Inaugenscheinnahme der im vorliegenden Verfahren durch die Bußgeldbehörde beigefügten Fotoliniendokumentation’ (BI. 22 d. A.) muss festgestellt werden, dass die dort als Fotolinie bezeichnete Linie lediglich durch ein so genanntes Lübecker Hütchen’ am äußeren Fahrbahnrand gekennzeichnet ist. Da eine Linie notwendigerweise aus 2 Punkten besteht, im vorliegenden Fall jedoch nur ein Punkt der Linie, nämlich der am äußeren Fahrbahnrand sich befindliche, erkennbar abgebildet ist, ist der Verlauf der Fotolinie gänzlich unklar. Die Fotolinie ist jedoch ein unverzichtbares Element zur Überprüfung der Ordnungsgemäßheit der Geschwindigkeitsmessung durch das Messgerät vom Typ ES 3.0.
Da im vorliegenden Fall die vom Hersteller in seiner Bedienungsanleitung geforderte nachvollziehbare’ gekennzeichnete Fotolinie fehlt, ist anhand der durch die Verwaltungsbehörde vorgelegten Beweismittel nicht klar erkennbar, ob es sich bei dem gemessenen Fahrzeug tatsächlich um das Betroffenenfahrzeug handelt und ob die gemessene Geschwindigkeit im Einklang mit der Fotodokumentation vom Betroffenenfahrzeug steht.
Eine Schlüssigkeitsprüfung der Messung ist dem Gericht daher verwehrt.
Erschwerend kommt insofern hinzu, dass aus der hier vorliegenden unzulänglichen Fotoliniendokumentation nicht einmal erkennbar wird, ob bei dieser Dokumentation überhaupt der Bereich abgebildet worden ist, durch den an irgendeiner Stelle die Fotolinie verläuft, oder ob es sich stattdessen nicht tatsächlich um eine Messliniendokumentation’ handelt.
Die zusätzliche Dokumentation der Messlinie, welche beim Vorgängermodell des hier verwandten Messgerätes, dem Messgerät Typ ES 1.0, regelmäßig durchgeführt wurde, ist für das Nachfolgemodell ES 3.0 vom Gerätehersteller nicht mehr vorgeschrieben. Gleichwohl wäre die ordnungsgemäße Dokumentation beider Linien, also der Mess- und der Fotolinie, bei der Auswertung der Messung sehr hilfreich, da auf diese Weise Fehldokumentationen unter Verwechslung von Foto- und Messlinie verhindert werden könnten.
Der Verdacht von solche...