AUB 94 § 1 III; § 8; ZPO § 286
1. Nachweis der Ursächlichkeit eines Sturzes bei einem Spaziergang für eine Rotatorenmanschettenruptur bei degenerativen Vorschäden.
2. Eine Kürzung der Invaliditätsentschädigung kommt bei einem alterstypischen Verschleißzustand nicht in Betracht.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Celle, Urt. v. 20.8.2009 – 8 U 10/09
Aus den Gründen:
“… Dem Kläger steht wegen seines Sturzes vom 16.3.2003 ein Anspruch auf Zahlung von 19.633,92 EUR aus der mit der Beklagten geschlossenen Unfallversicherung gem. § 1 Abs. 1 S. 2 VVG a.F. i.V.m. §§ 1, 7 AUB 94 zu.
1. Zunächst liegt ein bedingungsgemäßer Unfall vor. Ein Unfall ist gem. § 1 III AUB 94 gegeben, wenn der Versicherte durch ein plötzlich von außen wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet.
a) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugin K und der Anhörung des Klägers steht zunächst fest, dass dieser einen Unfall erlitten hat, als er am 16.3.2003 auf einem Waldweg im Deister spazieren ging, und auf einem Weg, der eine kleine Wölbung aufwies und mit Schnee bedeckt war, zu Fall kam …
b) Der Kläger hat ferner, wie sich aus Kernspintomografie vom 17.9.2003 ergibt, auch eine unfreiwilligen Gesundheitsschädigung in Form einer Rotatorenmanschettenruptur erlitten …
c) Im Ergebnis zutreffend ist das LG auch davon ausgegangen, dass der Unfall vom 16.3.2003 kausal für die Rotatorenmanschettenruptur gewesen ist, auch wenn diese bildgebend erstmals etwa sechs Monate später am 17.9.2003 festgestellt wurde. Der Versicherungsnehmer trägt hierbei die Beweislast (§ 286 ZPO) nicht nur für das Vorliegen des Unfallereignisses und den Eintritt der Gesundheitsschädigung, sondern auch für die Kausalität des Unfalls für die Gesundheitsschädigung und deren Dauerhaftigkeit (BGH VersR 2001, 1547). Erforderlich ist adäquate Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschädigung, wobei Mitursächlichkeit genügt … Der Kausalzusammenhang entfällt nicht deshalb, weil noch andere Ursachen, insbesondere körperliche Anlagen oder Gebrechen, den Schaden beeinflusst oder erst ermöglicht haben. Er ist nur dann nicht mehr gegeben, wenn und soweit die äußere Einwirkung auf den Körper des Versicherten als sog. Gelegenheitsursache lediglich eine bereits bestehende Gesundheitsschädigung vollendet oder sichtbar werden lässt (OLG Hamm VersR 2002, 180; Grimm, AUB, 3. Aufl., § 1 Rn 50). Für die richterliche Überzeugungsbildung im Rahmen des § 286 ZPO reicht hierbei ein praktisches Maß an Gewissheit, welches Zweifeln Schweigen gebiete, ohne sie völlig auszuschließen, während eine absolute oder mathematisch sichere Gewissheit nicht zu fordern ist … Diese Kausalität des Unfalls steht zur Überzeugung des Senats … fest.
aa) Der Sachverständige L hat in seinem Gutachten vom 3.6.2008 zunächst festgestellt, die Röntgenaufnahmen des Schultergelenks des Klägers vom 18.3.2003 zeigten zwar keine frischen knöchernen Verletzungen, jedoch deutliche Verschleißerscheinungen des Schultereckgelenks mit knöchernen Kantenanbauten und einem Knochensporn am außenseitigen Schlüsselbeinende in Richtung Rotatorenmanschette. Auch der Oberarmkopf zeige einen deutlichen Hochstand gegenüber der Schulterpfanne mit deutlicher Verschmälerung des subakromialen Raumes. Diese Befundkonstellation weise mit hoher Wahrscheinlichkeit auf erhebliche degenerative Veränderungen der Rotatorensehnen hin. Weiter hat der Sachverständige ausgeführt … Geeignete Unfallmechanismen zur Zerreißung eines gesunden Rotatorenmanschette seien nur die schwere direkte Gewalteinwirkung mit Begleitverletzungen, eine Verrenkung oder Teilverrenkung des Schultergelenkes oder eine gewaltsame passive Verdrehung des muskulär fixierten Armes im Schultergelenk. Vorliegend bleibe deshalb nur die Möglichkeit übrig, dass die Rotatorensehnen im Rahmen des Sturzes durch eine reflektorische Anspannung der dazugehörigen Rotatorenmuskulatur zerrissen worden seien. Das sei aber ohne eine vorherige degenerative Schwächung der Sehnen nicht möglich … Allerdings habe die Rotatorenmanschette bis dahin nicht zu Beschwerden geführt, sondern sei noch voll funktionsfähig gewesen. Insgesamt sei der Unfallmechanismus nicht geeignet gewesen, die Zerreißung einer gesunden Rotatorenmanschette zu bewirken, jedoch geeignet, die Zerreißung einer deutlich degenerativ vorgeschädigten Rotatorenmanschette zu bewirken.
(2) … Da vorliegend nach dem Sturz im März 2003 kein weiteres traumatisches oder mit einer isolierten zusätzlichen Schmerzempfindung verbundenes Ereignis mehr vorlag – der Senat folgt insoweit den plausiblen und nachvollziehbaren Angaben des Klägers , steht fest, dass der Sturz im März für die Rotatorenmanschettenruptur ursächlich war, mag sie auch erst im September 2003 diagnostiziert worden sein.
(3) Im Ergebnis ohne Erfolg macht die Beklagte ferner geltend, der Kläger habe auch deshalb nicht den Beweis einer Kausalität des Sturzes für die Rotatorenmanschettenruptur geführt, weil der Sturz auf die Schulter gar nicht geeignet gewes...