In der Regel wird sich der Unfallgeschädigte nach dem Unfall zu seinem Hausarzt begeben und berichten, dass er in einen Verkehrsunfall verwickelt wurde und seitdem Beschwerden im Bereich der HWS hat. Eher weniger erfolgt eine sofortige Einlieferung durch Rettungskräfte in ein Klinikum mit der entsprechenden Ausstellung eines Durchgangsberichtes.
Dieses ärztliche Attest bzw. dieser Durchgangsbericht stellt jedoch nur ein Indiz von mehreren für den Zustand des Geschädigten nach dem Unfall dar, weil der behandelnde Arzt als Therapeut auftritt und es in diesem Zusammenhang nicht seine Aufgabe ist, eine Kausalität zwischen dem Unfallereignis und den beklagten Beschwerden herzustellen oder die subjektiven Angaben seiner Patienten über Beschwerden infrage zu stellen.
Das KG führt in diesem Zusammenhang aus, dass ein derartiges ärztliches Attest nur ein gegebenenfalls von einem medizinischen Sachverständigen zu berücksichtigendes Indiz von eher untergeordneter Bedeutung ist, wenn die übrigen Umstände des Falles gegen den Eintritt einer Verletzung sprechen.
Mit seinem Urt. v. 3.12.2009 wird das KG noch deutlicher, in dem es ausführt, dass es dem behandelnden Arzt gar nicht zukommt, den prozessualen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und der beklagten Verletzung herzustellen bzw. gar zu entscheiden. Aufgabe des behandelnden Arztes ist es, die vom Patienten geschilderten Beschwerden mit dem Ziel der Linderung bzw. Heilung zu behandeln.
Dies wird häufig durch Gerichte in der Beweiswürdigung übersehen, da dem Arzt lediglich die Informationen seines Patienten über das Unfallgeschehen zur Verfügung stehen, die er nicht prüfen kann.
Insoweit hat der Arzt gar keine Bezugsgröße, welche tatsächliche Belastung auf den Patienten durch den Unfall eingewirkt hat, geschweige denn, welche Einzelumstände noch hinzutreten müssen, die auf einen Kausalzusammenhang der beklagten Beschwerden zum Unfallgeschehen schließen lassen können.
Die in dem ärztlichen Attest angegebene Diagnose einer HWS-Distorsion stellt daher lediglich eine Vermutung (Arbeitshypothese, Verdachtsdiagnose) nach der Untersuchung des Patienten für die nachfolgende Behandlung durch den Arzt dar.
Im Weiteren können in der Regel diesen Attesten keine klinisch-körperlichen Befunde und Überlegungen entnommen werden, aufgrund welcher gesicherter Erkenntnisse und Umstände der Arzt zu seiner Diagnose gelangt ist.
Mitnichten wird daher der behandelnde Arzt mit seiner Diagnose einen prozessualen Status quo schaffen können und wollen, der der Würdigung Dritter in Bezug auf ein Schmerzensgeld obliegt. Er muss den Angaben seines Patienten als Arzt vertrauen.
Das Hausarztattest kann daher die erforderliche medizinische Begutachtung für den Kausalzusammenhang zwischen Unfall und beklagten Beschwerden nicht ersetzen, da es kein Gutachten ist. Insoweit ist es für den erforderlichen Beweis gem. § 286 ZPO nicht ausreichend.
Im Weiteren ist zu berücksichtigen, wann die gesundheitliche Beeinträchtigung festgestellt wurde. Ein solcher Hinweis kann aus der Unfallaufnahme der Polizei entnommen werden, so dass diese immer beizuziehen ist, um zu ergründen, wie sich der Geschädigte am Unfallort verhalten hat.
Der zeitliche Eintritt der Beschwerden kann ein Indiz bei der Beweiswürdigung sein. Anerkannt sind hierfür die Klassifikationen von Erdmann und der QTF (Quebec Task Force – WAD), wobei erstere zunehmend internationale Ablehnung findet. Erdmann hatte seiner Klassifikation 88 Vorgänge zugrunde gelegt, während bei der Klassifikation QTF insgesamt 4757 Vorgänge Einfluss fanden.
Jedoch ist der zeitliche Zusammenhang zwischen Unfallereignis und dem Auftreten geklagter Beschwerden nicht für den Strengbeweis ausreichend, da aus medizinischer Sicht solch ein behauptetes schmerzfreies Intervall nach dem Unfall gewissen Zweifeln an einer unfallbedingten Verletzung begegnet, da die zu unterstellende Zerreißung von Gewebe eine sofort eintretende Symptomatik bewirken muss, die ihr Maximum jedoch häufig erst am Folgetag erreicht.