BGB § 249; ZPO § 287
Leitsatz
1. Sowohl die Schwacke-Liste als auch der Fraunhofer-Mietpreisspiegel sind grds. zur Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten geeignet.
2. Da die Listen nur als Grundlage für eine Schätzung dienen, kann der Tatrichter im Rahmen seines Ermessens nach § 287 ZPO von dem sich aus den Listen ergebenden Tarif – etwa durch Abschläge oder Zuschläge – abweichen.
BGH, Urt. v. 12.4.2011 – VI ZR 300/09
Sachverhalt
Die Kl. macht als Mietwagenunternehmen aus abgetretenem Recht des Geschädigten gegen die Bekl. als Haftpflichtversicherer des Schädigers restliche Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall geltend. Der Schädiger hatte am 23.12.2006 einen Verkehrsunfall verursacht, für den die volle Haftung der Bekl. unstreitig ist. Der Sachverständige besichtigte am 27.12.2006 das Fahrzeug und gelangte in seinem Gutachten vom 29.12.2006 zu dem Ergebnis, dass die Reparaturdauer etwa sieben Arbeitstage betrage. Der Geschädigte, der aus beruflichen Gründen ein Ersatzfahrzeug benötigte, erhielt von den Mietwagenfirmen A und S keine telefonische Auskunft über die geforderten Mietpreise. Daraufhin setzte er sich mit der Kl. in Verbindung, bei der am 27.12.2006 nach einem so genannten Einheitstarif ein Fahrzeug der wie seinem beschädigten Fahrzeug einzuordnenden Mietwagen der Mietwagenklasse 5 zu einem Tagessatz von 100 EUR pauschal zuzüglich Nebenkosten für Haftungsbefreiung, Zustellung und Abholung sowie Winterbereifung an. Zuvor hatte die Kl. dem Geschädigten Vergleichstabellen zu den Mietwagentarifen anderer Anbieter vorgelegt. Der Mietwagen wurde für 18 Tage in Anspruch genommen, wofür die Kl. unter Berücksichtigung einer Eigenersparnis 2.757,32 EUR in Rechnung stellte. Die Bekl. erstattete davon 1.999,20 EUR auf der Grundlage der Schwacke-Liste für das Postleitzahlengebiet des Orts der Miete gem. Preisgruppe 4 nebst Nebenkosten. Das AG hat der Klage unter Abweisung im Übrigen i.H.v. 680,92 EUR nebst Zinsen stattgegeben. Das LG hat auf die Berufung der Bekl. die Klage abgewiesen und die Revision zur Klärung der Frage zugelassen, ob der Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland des Fraunhofer Instituts Arbeitswirtschaft und Organisation eine geeignete Schätzungsgrundlage für die Höhe der erforderlichen Mietwagenkosten darstelle.
2 Aus den Gründen:
[5]„ I. Nach Auffassung des BG hat die Kl. nicht nachgewiesen, dass die verlangten Mietwagenkosten i.S.d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlich waren. Als notwendige Erkundigung des Geschädigten über die Preise von Mietwagen reichten die zwei erfolglosen Telefonate mit Mietwagenunternehmen und der Einblick in die von der Kl. vorgelegten Preislisten nicht aus. Soweit die Kl. in der Berufung vorgetragen habe, der Geschädigte sei nicht in der Lage gewesen, bei anderen Vermietern ein Fahrzeug anzumieten, weil er über keine Kreditkarte verfügt habe, sei dieses Vorbringen gem. § 531 Abs. 2 ZPO nicht zugelassen. Im Übrigen ergebe sich aus dem Vortrag der Kl. nicht, dass der Geschädigte nicht in der Lage gewesen sei, eine Kaution zu leisten, und er hätte ggfs. bei der Bekl. anfragen müssen, ob diese bereit sei, die anfallende Kaution zu stellen.
[6] Die Kl. könne die Angemessenheit ihrer Preise nicht auf einen Vergleich mit dem Schwacke-Mietpreisspiegel 2006 für das Postleitzahlen-Gebiet des Wohnorts des Geschädigten stützen. Maßgeblich sei der Tarif, der auf dem örtlichen Markt der Anmietung angeboten werde. Diesen sog. “Normaltarif’ ermittle die Kammer in Abkehr von ihrer bisherigen St. Rspr. und der Auffassung des AG nunmehr gem. § 287 ZPO auf der Grundlage des Fraunhofer-Mietpreisspiegels. Die Schwacke-Listen stellten keine geeignete Schätzgrundlage dar, weil sie erhebliche Defizite in der Methodik der Datenerhebung aufwiesen. Angesichts der methodischen und inhaltlichen Vorzüge des Fraunhofer-Mietpreisspiegels lege die Kammer gem. § 287 ZPO nunmehr diesen zu Grunde. Daran sei die Kammer nicht dadurch gehindert dass das Erstgericht seine Schätzung auf die Schwacke-Liste 2006 gestützt habe.
[7] Bei der Berechnung der Mietwagenkosten seien die Reduzierungen des Fraunhofer-Mietpreisspiegels bei Wochen-, Drei-Tages- und Tagespauschalen zu berücksichtigen. Ausgehend von dieser Studie müsse nicht geklärt werden, ob auf den Wohnort des Geschädigten oder den Ort der Anmietung abzustellen sei, weil beide im Postleitzahlengebiet 36 lägen. Ein pauschaler Aufschlag von 25 % wegen spezifischer Unfallersatzleistungen sei nicht gerechtfertigt, da keine Not- oder Eilsituation vorgelegen habe und auch nicht dargelegt worden sei, dass dem Geschädigten im Anmietzeitpunkt ein so genannter Normaltarif nicht zugänglich gewesen sei.
[8] II. Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Zwar durfte das BG grds. der Berechnung des von ihm angewendeten “Normaltarifs’ den Fraunhofer-Mietpreisspiegel zu Grunde legen. Zu beanstanden ist aber, dass es den zweitinstanzlichen Vortrag der Kl., der Geschädigte sei nicht in der Lage gewesen, bei anderen Vermietern ein Fahrzeug anzumieten, so dass ein Aufschlag z...