VVG § 28 Abs. 3; BGB § 166
Leitsatz
Der eine Schadensanzeige unterzeichnenden VN wird es als Arglist zugerechnet, wenn ihr Ehemann, der die Schadensanzeige ausgefüllt hat, Vorschäden verschwiegen hat, ohne zuvor den das Fahrzeug regelmäßig benutzenden Sohn nach vorhandenen Vorschäden gefragt zu haben.
OLG Saarbrücken, Urt. v. 6.10.2010 – 5 U 88/10
Sachverhalt
Die Kl. verlangt eine Entschädigung für ihr angeblich entwendetes, bei der Bekl. seit 2009 teilkaskoversichertes Kfz. Es wurde in den Jahren vor dem angeblichen Schadensfall von dem im Ausland lebenden Sohn der Kl. benutzt. Der Ehemann der Kl. gab in der Schadenanzeige und auf Nachfragen der Bekl. nur einen ihm bekannten Vorschaden an; von mehreren weiteren erfuhr die Bekl. von dritter Seite und verweigerte Leistungen.
2 Aus den Gründen:
„ … II. Die Berufung der Kl. ist zulässig, hat aber keinen Erfolg. Das Urt. des LG beruht weder auf einer Verletzung des Rechts noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung. Die Kl. hat gegen die Bekl. keinen Anspruch aus den §§ 1 Abs. 1 S. 1 VVG i.V.m. den Ziffern A.2.1.1 und A.2.2.2 AKB 2008 auf Zahlung von 7.000 EUR. Die Bekl. ist nach § 28 Abs. 2 VVG i.V.m. den Ziffern E.1.3, E.7.1 und E.7.2 AKB 2008 … wegen einer arglistig begangenen Obliegenheitsverletzung der Kl. leistungsfrei.
Nach Ziffer E.1.3 AKB 2008 oblag es der Kl., die Fragen der Bekl. zu den Umständen des Schadenereignisses wahrheitsgemäß und vollständig zu beantworten. Diese Obliegenheit hat die Kl. dadurch verletzt, dass sie blind die von ihrem Ehemann ausgefüllte Schadenmeldung unterschrieben hat, in der die Frage nach Unfall- oder sonstigen Schäden verneint war, obwohl der versicherte Pkw bereits sieben Schäden erlitten hatte. Dies ist arglistig geschehen. Daher ist es unerheblich, dass die Bekl. von den Vorschäden und Vorunfällen erfahren hat, ihr Verschweigen folglich für ihre Feststellungen nicht (mehr) ursächlich war …
(1) Die Kl. hat ihre Auskunftsobliegenheit objektiv durch die Abgabe der Schadenmeldung verletzt …
(a) Die Auskunftspflicht des VN erschöpft sich nicht in der formalistischen Beantwortung des Wortlauts der gestellten Fragen. In welchem Umfang Auskunft zu erteilen ist, ergibt sich aus dem Sinn der Frage. Die Antwort soll Gewähr leisten, dass der Versicherer in die Lage versetzt wird, die sachgemäßen Entschließungen über die Behandlung des Versicherungsfalls zu treffen (BGH VersR 1993, 828). Anders als bei Anzeigeobliegenheiten kommt es bei der Auskunftsobliegenheit auch nicht darauf an, ob der VN das zu vermittelnde Wissen bereits selbst hat. Er muss sich über die Tatsachen, zu denen der Versicherer berechtigt Auskunft verlangt, gegebenenfalls erkundigen (BGH VersR 2007, 389; VersR 1993, 828) …
(b) Nach diesen Grundsätzen hat die Kl. ihre Aufklärungsobliegenheit nach Ziffer E.1.3 AKB 2008 durch Abgabe der Schadenmeldung objektiv verletzt.
Die Schadenmeldung stammt von der Kl. selbst. Mit seiner Unterschrift macht sich der VN die Angaben im Schadenformular zu Eigen, auch wenn er dies nicht selbst ausgefüllt hat. Damit gibt er eine eigene Erklärung ab. Der Dritte, der das Formular ausgefüllt, aber nicht unterzeichnet hat, bereitet lediglich eine Erklärung des VN vor, wenn der VN dieses unterschreibt. Der Dritte gibt die Erklärung nicht selber an Stelle des VN ab. Aus der Sicht des Erklärungsempfängers erscheint das vom VN unterschriebene Formular als dessen Erklärung und nicht als die eines mit der Erfüllung von Obliegenheiten betrauten Dritten (BGH VersR 1995, 281; Senat VersR 2007, 532).
Auf die Frage nach Unfall- oder sonstigen Schäden waren alle 7 Schäden am versicherten Pkw anzugeben. Dies ist dadurch unterblieben, dass die Antwortfelder zu dieser Frage und zu den Fragen nach einer Reparatur und einer Entschädigungsleistung in der von der Kl. unterschriebenen Schadenmeldung gestrichen waren. Die positive Kenntnis der Kl. von diesen 7 Schäden ist zwar nicht nachgewiesen. Die Kl. hatte aber positive Kenntnis davon, dass sie sich von 2001 bis 2008 um den versicherten Pkw nicht gekümmert hatte, der Pkw vielmehr von ihrem Sohn, der nicht mehr in ihrem Haushalt gelebt hatte, alleine genutzt worden war. Deshalb war für die Kl. bei Unterzeichnung der Schadenmeldung offensichtlich, dass sie die Fragen nach Schäden, Reparaturen und Entschädigungsleistungen nicht beantworten konnte, ohne sich bei ihrem Sohn zu erkundigen. Die Kl. hat auch nicht vorgetragen, dass sie deshalb von einer Schadenfreiheit ausgehen konnte, weil ihr Sohn ihr nichts von Schäden erzählt hat und er dies sicher getan hätte, wenn es Schäden gegeben hätte. Vielmehr hat die Kl. im vorliegenden Prozess jegliche Kenntnisse über alle Vorgänge, die den versicherten Pkw betrafen, bis hin zu dem Prozess im Jahr 2004, den ihr Sohn in ihrem Namen geführt hat, von sich gewiesen. Das spricht dafür, dass die Kl. sich um den Pkw überhaupt nicht gekümmert hat und er nie Gesprächsgegenstand zwischen ihr und ihrem Sohn gewesen war. Deshalb wusste sie positiv, dass sie über den Pkw keine ...