Nettopolicen scheinen sich zu verbreiten. Ihr wirtschaftlicher Sinn ist es, das Schicksal der Abschlusskosten eines Versicherungsvertrags von dessen eigenem Schicksal – und, bei Lebensversicherungen, damit von der Regelung des § 169 Abs. 3 VVG – zu trennen und so zu erreichen, dass sie der VN unabhängig vom Zeitpunkt der Stornierung des "Hauptvertrags" weiterhin zu zahlen hat. Das schafft zwar eine durchaus wünschenswerte Transparenz und lässt den VN für die tatsächlich entstandenen Kosten der Vermittlung eines längerfristig gedachten Vertrags trotz dessen früher Auflösung einstehen, birgt aber zugleich Risiken, weil der Schicksalteilungsgrundsatz nicht gilt. Der Rechtsanwendung stellen sich folglich nicht leicht zu beantwortende Fragen. Nur wenige sind abschließend geklärt.
Die Vereinbarung von Nettopolicen und separaten Maklerverträgen ist keine Erschwerung des durch das VVG gewährleisteten Kündigungsrechts und daher grds. wirksam; die Kündigung des Versicherungsvertrags lässt, den Regelungen des Maklerrechts folgend, den Courtageanspruch des Versicherungsmaklers unberührt (BGH NJW 2005, 1357). Allerdings kann – worauf das LG Saarbrücken zutreffend hinweist – bei unterlassener Beratung durch den Versicherungsmakler ein dem Vergütungsanspruch entgegen zu haltender Schadensersatzanspruch bestehen. Ob diese Grundsätze auch dann gelten, wenn die Vergütungsvereinbarung durch einen Versicherungsvertreter oder gar den VR geschlossen wird, ist bislang nicht entschieden, kann aber schwerlich anders beantwortet werden (Reiff, VersR 2012, 645).
Von größerer Bedeutung ist das Problem des Widerrufs. Dabei stellen sich mehrere Fragen: Führt der Widerruf des Versicherungsvertrags zugleich zum Erlöschen der Vergütungsvereinbarung – und umgekehrt? Muss die die Widerrufsfrist auslösende, dem VN zu überlassende Belehrung Hinweise auf die Vergütungsvereinbarung, ihren Fortbestand oder ihre Widerruflichkeit enthalten? Ist die Vergütungsvereinbarung separat widerruflich? Die vornehmlich amtsgerichtliche Rspr. entscheidet das auch angesichts einer sehr unterschiedlichen Praxis der VR noch nicht so, dass von einer einheitlichen Rechtsauffassung ausgegangen werden kann.
Indessen ist zu beachten: Durch das Gesetz zur Änderung versicherungsrechtlicher Vorschriften vom 24.4.2013 (BGBl. I, S. 932) hat § 9 VVG einen Abs. 2 erhalten, der an den Widerruf des Versicherungsvertrags die Rechtsfolge knüpft, dass der VN an einen mit dem Versicherungsvertrag zusammenhängenden Vertrag nicht mehr gebunden ist. Dadurch wird zwar nicht dem historischen Sinn der Gesetzesänderung, wohl aber ihrem Wortlaut nach auch der Fall der Nettopolice erfasst. Mit dem Widerruf des Versicherungsvertrags würde der VN dann keine weiteren Teilzahlungen auf die Vergütungsvereinbarung mehr schulden.
Davon abgesehen ist allerdings auch die Vergütungsvereinbarung regelmäßig widerruflich, weil sie einen Zahlungsaufschub enthält (§§ 506, 358, 495 BGB). Regelmäßige Rechtsfolge eines solchen Widerrufs ist allerdings die Rückabwicklung des "Vermittlungsvertrags" mit der Folge, dass der VN dem Vermittler Ersatz des objektiven Wertes der Vermittlungsleistung schuldet.
Es ist bedauerlich, dass der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Änderung vom April 2013 die von Nettopolicen aufgeworfenen Fragen nicht umfassend gelöst hat.
Prof. Dr. Rixecker, Präsident des OLG Saarbrücken
zfs 8/2013, S. 455 - 458