BGB § 254 Abs. 1; StVO § 2 § 10
Leitsatz
Verlässt ein Radfahrer einen von ihm verbotswidrig befahrenen Gehweg, um von dort unter Nichtbeachtung eines die Fahrbahn benutzenden Kfz auf diese zu wechseln, so dass es zu einem Zusammenstoß beider Fahrzeuge kommt, trifft den Radfahrer die alleinige Haftung für die Unfallfolgen.
(Leitsatz der Schriftleitung)
AG Weinheim, Urt. v. 17.1.2013 – 1 C 210/12
Sachverhalt
Der klagende Radfahrer befuhr einen Gehweg und beabsichtigte, von diesem aus in die K-Straße einzubiegen. In diesem Augenblick näherte sich der Bekl. zu 1) mit seinem bei der Bekl. zu 2) haftpflichtversicherten Kfz und bog in die Straße ein, in deren Fahrbahn der Kl. seine Fahrt fortzusetzen begann. Bei dem Zusammenstoß beider Fahrzeuge erlitt der Kl. eine Schulterluxation, die zu Bewegungseinschränkungen für sechs Monate, der Notwendigkeit von Krankenhausbehandlungen und physiotherapeutischer Behandlungen führte. Hieraus hat der Kl. einen Anspruch auf Schmerzensgeld gegen die Bekl. hergeleitet, den er damit begründet hat, der Bekl. zu 1) sei gegenüber dem Kl. wartepflichtig gewesen, da der Kl. von rechts gekommen sei. Der Kl. habe auch darauf vertrauen dürfen, der Bekl. zu 1) werde sein Vorrecht beachten, da der Bekl. vor dem Einbiegen auf die K-Straße wegen eines sich von links näherndem Fahrzeug kurz angehalten habe. Die Bekl. sind von einer alleinigen Haftung des Kl. ausgegangen, der den Gehweg in verbotener Weise und zudem in falscher Richtung fahrend benutzt habe und beim Einfahren in die Fahrbahn die erforderliche und gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen habe.
Die Klage wurde abgewiesen.
2 Aus den Gründen:
" … Dem Kl. steht gegen die Bekl. ein Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes aufgrund des Verkehrsunfalls v. 21.6.2011 gegen 19.30 Uhr an der Kreuzung K/G-Straße in W gem. §§ 253 BGB, § 115 VVG nicht zu. Der Kl. hat den streitgegenständlichen Verkehrsunfall alleine verursacht und verschuldet, so dass ihm Ersatzansprüche, mithin auch ein Schmerzensgeldanspruch, aufgrund des Unfallereignisses nicht zusteht."
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kl. zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalls nicht die Fahrbahn der K-Straße befahren hat, sondern den aus seiner Fahrtrichtung auf der linken Seite befindlichen Gehweg. Insoweit liegt auf Seiten des Kl. bereits ein Verstoß gegen § 21 S. 1 StVO vor, denn er hat mit seinem Fahrzeug, vorliegend seinem Fahrrad, nicht die Fahrbahn der Straße benutzt. Der vom Kl. benutzte Bereich der K-Straße ist auch nach unstreitigem Vorbringen der Parteien lediglich als Gehweg gekennzeichnet und nicht etwa als kombinierter Geh- und Radweg. Für die Benutzung des Gehwegs mit seinem Fahrrad kann sich der Kl. auch nicht auf die für Kinder bis maximal 10 Jahre geltende Ausnahmeregelung nach § 2 V StVO berufen.
Aufgrund des unstreitigen Parteivorbringens liegt auf Seiten des Kl. weiterhin ein Verstoß gegen § 10 StVO vor, denn er ist von einem anderen Straßenteil hinweg auf die Fahrbahn eingefahren. Auch ein zur Straße gehörender Gehweg ist insoweit ein anderer Straßenteil i.S.d. Vorschrift. Gem. § 10 StVO hätte sich der Kl. daher so verhalten müssen, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Hiergegen hat der Kl. unstreitig verstoßen, denn andernfalls wäre es nicht zum Verkehrsunfall gekommen. Es kann insoweit letztlich auch dahin stehen, ob der Bekl. zu 1) unmittelbar von der G-Straße kommend in die K-Straße nach rechts abgebogen ist oder ob er zunächst kurz angehalten hat, um sein Vorfahrtsrecht mit einem anderen ankommenden Fahrzeug zu klären. Der Kl. befand sich insofern jedenfalls in der gegenüber allen anderen Verkehrsteilnehmern untergeordneten Verkehrssituation und hatte dem fließenden Verkehr Vorrang zu gewähren. Auch bei einem kurzen Anhalten des Bekl. zu 1) liegt auf Seiten des Kl. ein Verstoß gegen § 10 StVO vor. Da diese Vorschrift dem Kl. besondere Sorgfaltspflichten auferlegt, wiegt der Verstoß gegen diese Vorschrift auch derart schwer, dass dahinter die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Bekl. zu 1) zurück tritt. Der Unfall ist im Ergebnis daher alleine vom Kl. verschuldet (vgl. für ähnliche. Situationen auch AG Starnberg, Urt. v. 23.12.2009 – 1 C 1472/09 sowie AG Stahlsund, Urt. v. 12.3.2003 – 11 C 1283/02, juris).“
Mitgeteilt von RA Nicolas Eilers, Groß-Gerau
zfs 8/2013, S. 442 - 443