I. Erforschen der Ordnungswidrigkeit
Die Bußgeldstelle und die Polizei haben den Sachverhalt, die den Verdacht einer Ordnungswidrigkeit begründet, zu ermitteln und aufzuklären, § 53 OWiG. Die Ermittlungen erschöpfen sich jedoch in der Praxis auf ein Mindestmaß, so erstattet die Polizei, die zum Unfall herbeigerufen wurde, einen Verkehrsunfallbericht und fertigt oftmals Fotos der beschädigten Fahrzeuge an und Skizzen vom Unfallort an. Ferner schätzt sie den entstandenen Sachschaden. Des Weiteren werden Fragebögen an etwaige Zeugen versandt. Diese kommen oftmals nicht in den Rücklauf, so dass die Rekonstruktion des Unfallgeschehens sich zusätzlich erschwert. Die Polizei vergibt in der Verkehrsunfallanzeige immer Ordnungsnummern (ON). Der von der Polizei als Verursacher eingestufte Verkehrsteilnehmer wird mittels des Anscheinsbeweises mit "ON 01" festgelegt, der weitere Verkehrsteilnehmer mit "ON 02". Die Bewertungen der den Unfall aufnehmenden Beamten hinsichtlich der Schuld- oder Verursacherfrage sind bußgeld- wie zivilrechtlich jedoch bedeutungslos. Die Bußgeldstellen geben in der Regel zu diesem Zeitpunkt des Verfahrens kein unfallanalytisches Sachverständigengutachten in Auftrag. Hieran wird erkennbar, dass die Ursachen des Verkehrsunfalls oftmals nicht mit abschließender Gewissheit aufgeklärt werden können. Gleichwohl muss die Bußgeldstelle innerhalb der Verjährungsfrist von (nur) drei Monaten (§§ 24, 26 StVG) entscheiden, ob ein Bußgeld zu verhängen ist. Will der Betroffene den Fall bußgeldrechtlich und zivilrechtlich offen halten und hat er Bedenken gegen die bußgeldrechtliche Bewertung des Sachverhalts zu seinen Lasten, wird er Einspruch gegen den Bußgeldbescheid einlegen müssen.
II. Verfahrenshindernis bei Verwarnung, § 56 OWiG
Nicht selten bieten Polizeibeamte vor Ort unmittelbar nach dem Unfall einem Unfallbeteiligten eine Verwarnung an. Das Verwarnungsverfahren stellt ein dem Bußgeldverfahren vorgeschaltetes Sonderverfahren dar. Bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten kann ein Verwarnungsgeld von fünf bis fünfunddreißig EUR gem. § 56 Abs. 1 OWiG erhoben werden. Nach § 56 Abs. 2 S.1 OWiG ist eine Verwarnung nur wirksam, wenn der Betroffene nach Belehrung über sein Weigerungsrecht mit ihr einverstanden ist und das Verwarnungsgeld entsprechend der Bestimmung der Verwaltungsbehörde entweder sofort entrichtet oder innerhalb einer Frist einzahlt. Die Bußgeldstelle darf nicht zu einem späteren Zeitpunkt die Verfehlung schwerer werten und ein erneutes Bußgeld erheben. Die Tat darf nicht mehr unter den tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten verfolgt werden, § 56 Abs. 4 OWiG. Die durchaus gängige Barzahlung des Verwarnungsgeldes wird dem Betroffenen am Unfallort quittiert, hilfsweise ist der Polizeibeamte zu diesem Vorgang als Zeuge zu benennen.
III. Strafverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung
Hat der Verkehrsunfall zu einer noch so geringen Verletzung eines Unfallbeteiligten geführt, so wird gegen den Betroffenen zunächst sogar ein Strafverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung (§ 229 StGB) eingeleitet. Die Staatsanwaltschaft stellt dieses Verfahren im Bagatellbereich im Ergebnis regelmäßig ein, sei es, weil an der Verfolgung der Tat kein öffentliches Interesse besteht (§§ 374, 376 StPO) oder ein nur geringfügiges Verschulden vorliegt (§ 153 StPO). Gem. § 43 OWiG gibt die Staatsanwaltschaft die Sache an die Verwaltungsbehörde (Bußgeldstelle) ab, wenn Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass die Tat als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden kann. Über den Verkehrsunfall muss auch in diesem Fall über den Umweg des Strafverfahrens wieder im Bußgeldverfahren entschieden werden.