I. Bei einer strittigen Unfallschuld muss die Kollision nicht nur für das Zivil-, sondern ggf. auch für das Bußgeldverfahren rekonstruiert werden.
II. In der Regel erhält der von der Polizei als "ON 01" bezeichnete Verkehrsteilnehmer einen Bußgeldbescheid, nicht selten wird auch beiden Fahrzeugführern ein Teilverschulden vorgeworfen.
III. Wird direkt an der Unfallstelle gegen einen/beide Verkehrsteilnehmer ein Verwarnungsgeld festgesetzt und gezahlt, darf nicht später ein erneutes höheres Bußgeld verhängt werden.
IV. Um die Unfallursache mit Gewissheit aufzuklären, bedarf es der Einholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens. Schon vorgerichtlich kann der Betroffene ein Privatsachverständigengutachten in Auftrag geben, es wird bei Vorhandensein einer Rechtsschutzversicherung von dieser übernommen.
V. Zu einer Einstellung oder Reduzierung der Geldbuße führt ein nicht auszuschließendes Mitverschulden an dem Verkehrsunfall durch den anderen Beteiligten. Dabei spielt dem Betroffenen z.B. eine günstige Haftungsquote im Zivilprozess oder eine (anteilige) Regulierung des Unfalls durch die Gegnerhaftpflichtversicherung in die Karten, auch wenn es eine Bindung des Bußgeldrichters an zivilrechtliche Urteile und umgekehrt nicht gibt. Eine Ortsbesichtigung kann zur Erkenntnis des Gerichts führen, dass die Verkehrslage/Beschilderung am Tatort tatsächlich unübersichtlich war und daher nur ein geringfügiges Verschulden des Betroffenen vorliegt. Auch ein eigener hoher wirtschaftlichen Schaden oder ein infolge des Unfalls erlittener Körperschaden können unter dem Gesichtspunkt von § 60 StGB bußgeldmindernd angeführt werden.
VI. Der Ausgang des Bußgeldverfahrens kann durchaus Folgen auf die Unfallregulierungspraxis haben. Die Kfz-Haftpflichtversicherung zieht in der Regel die Bußgeldakte bei und macht sich ein Bild von der Haftungslage. Sie besitzt dabei eine Regulierungsvollmacht, d.h. sie darf Schäden auch gegen den Willen des Versicherungsnehmers regulieren. Den Ausgang des Bußgeldverfahrens muss sie nicht abwarten.
VII. Die anwaltlichen Tätigkeiten in bußgeldrechtlichen Unfallverfahren sind auch gebührentechnisch lukrativ. Regelmäßig kann oberhalb der Mittelgebühr abgerechnet werden, zumal der Vorgang bei Bezügen ins Zivilrecht und einem unfallanalytischen Gutachten rechtlich schwierig und/oder umfangreich ist.
Autor: RA Dr. jur. Ingo E. Fromm , FA für Strafrecht, Koblenz
zfs 8/2013, S. 428 - 433