" … Die gem. § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hat – zumindest vorläufig – Erfolg. Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben, weil die Feststellungen im Rahmen der Beweiswürdigung lückenhaft sind und damit den Anforderungen der §§ 261, 267 Abs. 5 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG nicht entsprechen."
Wenn auch in Bußgeldverfahren an die Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe keine übertrieben hohen Anforderungen zu stellen sind, kann für deren Inhalt grds. nichts anderes als im Strafverfahren gelten. Denn auch im Bußgeldverfahren sind die Urteilsgründe die alleinige Grundlage für die rechtliche Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hin. Sie müssen daher so beschaffen sein, dass dem Rechtsbeschwerdegericht die Nachprüfung einer richtigen Rechtsanwendung ermöglicht wird. Dies gilt auch für die Beweiswürdigung, weil das Rechtsbeschwerdegericht nur so in den Stand gesetzt wird, die Beweiswürdigung des Tatrichters auf Widersprüche, Unklarheiten, Lücken oder Verstöße gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze zu überprüfen. Bei einem freisprechenden Urteil müssen die Urteilsgründe gem. § 267 Abs. 5 StPO ergeben, ob der Betr. für nicht überführt (Freispruch aus tatsächlichen Gründen) oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angesehene Tat nicht zu ahnden ist (Freispruch aus rechtlichen Gründen). Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen muss der Tatrichter regelmäßig darlegen, welche Feststellungen er getroffen hat, auf welche für erwiesen erachteten Tatsachen das Gericht seine Überzeugung stützt, wie sich der Betr. eingelassen hat und – in einer für das Rechtsbeschwerdegericht nachprüfbaren Weise der Sachverhaltswürdigung – aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen weiteren Feststellungen nicht getroffen werden können. Die Urteilsgründe müssen erkennen lassen, ob der den Entscheidungsgegenstand bildende Sachverhalt erschöpfend gewürdigt ist (OLG Bamberg, Beschl. v. 18.3.2009 – 2 Ss OWi 153/09, zit. nach juris).
Im vorliegenden Fall führt das AG in den Urteilsgründen aus, die Betr. sei aus rechtlichen Gründen freizusprechen. Welchen Sachverhalt das AG für erwiesen erachtet, ergibt sich aus den Urteilsgründen allerdings nicht. Die weiteren Ausführungen des AG zeigen, dass der Freispruch aus tatsächlichen Gründen erfolgt ist, die Betr. nämlich des Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nicht überführt ist. Lediglich das vorliegende Beweismittel – die Geschwindigkeitsmessung mit dem Einseitensensor 3.0 der Firma ESO – hält das AG aus rechtlichen Gründen nicht für verwertbar. Das AG hat sich insoweit dem Vortrag der Betr. angeschlossen. Die Betr. hat das Geschwindigkeitsmessverfahren mit dem oben genannten Gerät nicht im Detail, aber dem Grunde nach angegriffen und dazu vorgetragen:
Die Messung mit diesem Gerät sei durch den Verteidiger selbst unter Hinzuziehung eines Sachverständigen nicht auf die Plausibilität hin nachzuprüfen, weil der Gerätehersteller die Einsichtnahme in die Messdaten verweigere. Dies verstoße gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz und die Aufklärungspflicht des Gerichts, außerdem gegen die Grundsätze des fairen Verfahrens, mithin Art. 103 GG. Die Betr. habe keine Möglichkeit ein vorhandenes Beweismittel inhaltlich nachzuvollziehen. Zudem werde ihr gewissermaßen als Zirkelschluss der BGH-Rspr. zum standardisierten Messverfahren die Beweismöglichkeit versagt.
Ergänzend hat das AG ausgeführt:
Der vorab beauftragte Sachverständige habe in seinem auch in der jetzigen Hauptverhandlung verlesenen Gutachten ausgeführt, dass zwar bei den einzelnen Fotos des Films Nr. 1800G3_5 bei den Einblendungen des seitlichen Abstands in Bezug auf die Aufnahmeposition der Fahrzeuge keine unplausiblen Messpositionen festgestellt werden konnten, jedoch stark abweichende Positionen einiger der aufgenommenen Fahrzeuge zur Fotolinie (wobei jeweils weitere Fahrzeuge im Bereich der Fotolinie nicht festzustellen waren). Es sei deshalb, so der Sachverständige, möglich, dass eine unzulässige Bedienung des Messgerätes oder eine Fehlmessung vorgelegen habe, die in einer Ablichtung von Fahrzeugen trotz Nichterreichens oder sogar Überschreitens der Fotolinie ausgedrückt wird. Der Sachverständige habe durch Vergleich mit mehreren Messfotos des betroffenen Films Nr. 180003_5 aufgezeigt, dass es verschiedene Situationen gab, so auch die der Betr., in welchen das gemessene Fahrzeug nicht mit der Fahrzeugfront an der Fotolinie stand, sondern davor oder gar schon darüber. Auch das Fahrzeug der Betr. sei bei Auslösung des Lichtbildes noch vor der Fotolinie befindlich gewesen, erreicht habe die Fotolinie aber bereits der dem Fahrzeug der Betr. zugeordnete Schattenwurf des Fahrzeugs gehabt. Vorliegend habe sich zwar nur das Fahrzeug der Betr. im Ablichtungsbereich befunden. Ob eine Zuordnung und damit eine plausible Messung aber tatsächlich erfolgt sei, könne der Sachverständige ohne Preisgabe der Messdaten nicht prüfen...