VVG § 8
Leitsatz
Der Widerruf des eine Nettopolice beinhaltenden Versicherungsvertrags schließt den Widerruf der mit ihm verbundenen gesonderten Vergütungsvereinbarung ein.
AG Bergisch-Gladbach, Urt. v. 22.1.2013 – 60 C 399/12
Sachverhalt
Der Bekl. schloss am 4.12.2009 einen Vertrag über eine fondsgebundene Rentenversicherung als "Nettopolice" ab, die in dem Antragsformular eine § 8 VVG entsprechende Widerrufsbelehrung enthielt. Unter dem gleichen Datum vereinbarte er einen Kostenausgleich, nach dem er sich verpflichtete, an die Bekl. Abschlusskosten und Einrichtungskosten i.H.v. 5.071 EUR in monatlichen Raten zu zahlen. Insoweit enthielt das Antragsformular gleichfalls eine auf die Vergütungsvereinbarung bezogene Widerrufsbelehrung, die ihn über die Möglichkeit des Widerrufs binnen 30 Tagen ab der Belehrung und der Überlassung der Versicherungspolice enthielt. Unter dem 22.2.2011 kündigte der Bekl. Versicherungsvertrag und Vergütungsvereinbarung. Die Kl. macht die weiter fällig werdenden Raten aus der Vergütungsvereinbarung geltend.
2 Aus den Gründen:
" … Die zulässige Klage ist unbegründet. Die zulässige Widerklage ist begründet."
Die Kl. hat gegen den Bekl. keinen Anspruch auf Zahlung von 3.818,08 EUR aus der Kostenausgleichsvereinbarung … Der Bekl. hat den am 25.11.2009/4.12.2009 abgeschlossenen Vertrag über eine fondgebundene Rentenversicherung fristgerecht widerrufen. Dieser Widerruf erstreckt sich auf die mit dem Versicherungsvertrag verbundene Kostenausgleichsvereinbarung vom gleichen Tage. Das Widerrufsrecht des Bekl. folgt aus § 8 Abs. 1 VVG in der Fassung v. 17.12.2009. Dieses Widerrufsrecht erstreckt sich in der vorliegenden Konstellation, in der die Vertragsabschlusskosten nicht im Rahmen des Versicherungsvertrags selbst durch Verrechnung mit Versicherungsprämien getilgt werden, sondern Gegenstand einer gesonderten, mit dem Versicherungsvertrag verbundenen Vereinbarung sind, auch auf diese Kostenausgleichsvereinbarung. Der VR könnte das dem VN für den Versicherungsvertrag gem. § 8 Abs. 1 VVG zustehende gesetzliche Widerrufsrecht entwerten, wenn es allein in seiner Hand läge, dem VN hinsichtlich des Kostenausgleichsvertrags ein gleichwertiges Widerrufsrecht einzuräumen, dies nur unter engeren Voraussetzungen zu tun oder es gar ganz zu unterlassen. Jedes dem § 8 VVG nicht vollständig entsprechende Widerrufsrecht in Bezug auf den separierten Kostenausgleichsvertrag bürdet dem VN das Risiko auf, nicht unerhebliche Vertragsabschlusskosten auch dann tragen zu müssen, wenn seine auf den Abschluss des Versicherungsvertrags gerichtete Willenserklärung kraft des insofern erklärten Widerrufs unwirksam wäre. Dies lässt sich mit dem Zweck des Widerrufsrechts, dem VN eine Bedenkzeit einzuräumen, nicht vereinbaren.
Rechtstechnisch bestehen zwei Wege, um den insoweit gebotenen Gleichlauf des Widerrufs von Versicherungsvertrag und Kostenausgleichsvertrag zu bewerkstelligen. Entweder erstreckt sich der Widerruf des Versicherungsvertrags in entsprechender Interpretation des § 8 VVG von Gesetzes wegen auf den Kostenausgleichsvertrag mit der Konsequenz, dass diese Rechtsfolge Aufnahme in die Widerrufsrechtsbelehrung zum Versicherungsvertrag finden müsste. Oder aber der Kostenausgleichsvertrag räumt dem VN ein Widerrufsrecht ein, das in jeder Hinsicht mindestens mit dem für den Versicherungsvertrag gesetzlich vorgeschriebenen Widerrufsrecht übereinstimmt. In diesem Fall müsste der Versicherte zwar zwei Verträge widerrufen, was angesichts eines klar erkennbaren Abschlusses zweier Verträge und entsprechender Belehrung aber von ihm verlangt werden könnte. Den Anforderungen der zweiten Alternative genügt das zum Kostenausgleichsvertrag v. 25.11.2009/4.12.2009 vorgesehene Widerrufsrecht nicht. Die Widerruffrist zur Kostenausgleichsvereinbarung beginnt nach der einschlägigen Klausel des Vertragsformulars nicht unter den Voraussetzungen von § 8 Abs. 2 VVG, sondern knüpft lediglich daran an, dass die Versicherungspolice und die vorliegende Belehrung dem VN zugegangen sind. Demgegenüber beginnt die Widerruffrist zum Versicherungsvertrag unter den in § 8 Abs. 2 VVG nominierten Voraussetzungen, so dass ein Gleichlauf der Widerruffristen nicht gewährleistet ist. Vielmehr bestünde die Gefahr zu Lasten des VN, dass zum Zeitpunkt eines wirksamen Widerrufs der auf Abschluss des Versicherungsvertrags gerichteten Willenserklärung die Widerruffrist zur Kostenausgleichsvereinbarung bereits abgelaufen wäre.
Soweit verschiedene Gerichte darauf abstellen, § 8 VVG regele nur den Widerruf des Versicherungsvertrags, stelle hingegen keine Anforderung an die Widerrufbelehrung einer davon getrennten Ausgleichsvereinbarung, verkennt diese Argumentation, dass es hier nicht lediglich um Anforderungen an die Widerrufbelehrung zur Kostenausgleichsvereinbarung geht, sondern die materielle Reichweite des gesetzlichen Widerrufsrechts gem. § 8 VVG in Bezug auf den Versicherungsvertrag in Frage steht und insofern eine Aufspaltung eines einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang auf zwei Verträge nicht das ...