StVO § 1 Abs. 2 § 12 Abs. 4 S. 3 § 41 Abs. 1 i.V.m. Anlage 2 Nr. 15 (VZ 229)
Leitsatz
Die Einleitung einer kostenpflichtigen Abschleppmaßnahme wegen eines verbotswidrig an einem Taxenstand (Zeichen 229 zu § 41 StVO) abgestellten Fahrzeugs ist regelmäßig auch ohne Einhaltung einer bestimmten Wartezeit mit dem bundesverfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar. Nach Maßgabe der konkreten Umstände kann es allerdings geboten sein, von Abschleppmaßnahmen abzusehen, etwa wenn eine Beeinträchtigung des reibungslosen Taxenverkehrs ausgeschlossen ist, oder mit der Abschleppanordnung zu warten, etwa wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Verantwortliche kurzfristig wieder am Fahrzeug erscheinen und es unverzüglich selbst entfernen wird.
BVerwG, Urt. v. 9.4.2014 – 3 C 5.13
Sachverhalt
Der Kl., ein selbstständiger Reisebusunternehmer, wehrt sich gegen Abschleppkostenbescheide. Am 2.7.2011 stellte ein mit der Überwachung des ruhenden Verkehrs beauftragter Bediensteter der beklagten Stadt F um 19.30 Uhr fest, dass ein Reisebus des Kl. auf einem mit dem (Verkehrs-)Zeichen 229 ausgeschilderten Taxenstand in F abgestellt und dessen Fahrer nicht im Fahrzeug oder dessen Umgebung anzutreffen war. Nachdem er einmal vergeblich versucht hatte, den Kl. über eine im Reisebus ausgelegte Mobilfunknummer telefonisch zu erreichen, ordnete er das Abschleppen des Busses an. Gegen 19.40 Uhr erschien der Fahrer am Reisebus und fuhr ihn wenig später weg. Daraufhin wurde die Abschleppmaßnahme noch vor dem Eintreffen des bestellten Abschleppfahrzeugs um 19.42 Uhr abgebrochen. Mit Bescheid v. 25.11.2011 machte die Bekl. gegenüber dem Kl. Kosten i.H.v. 513,15 EUR geltend; dieser Betrag setzte sich aus den vom Abschleppunternehmen in Rechnung gestellten Kosten für die Leerfahrt i.H.v. 446,25 EUR sowie Verwaltungsgebühren und Zustellkosten zusammen.
Die gegen die Kostenerhebung gerichtete Klage hat das VG Frankfurt a.M. mit Urt. v. 14.5.2012 – VG 5 K 1325/12.F – abgewiesen. Auf die Berufung des Kl. hat der HessVGH diese Entscheidung mit Urt. v. 31.1.2013 – VGH 8 A 1667/12 (VerkMitt.2013, 52) geändert und die angegriffenen Bescheide aufgehoben. Die dem Kostenbescheid zugrunde liegende Abschleppanordnung sei unverhältnismäßig und daher rechtswidrig gewesen. Der städtische Bedienstete hätte länger mit der Einleitung der Abschleppmaßnahme warten müssen. Die Wartezeit betrage an einem mit dem (Verkehrs-)Zeichen 229 ausgeschilderten Taxenstand im Allgemeinen 30 Minuten.
Die Revision der Bekl. hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen:
[9] "… II. Die Revision der Bekl. ist begründet. Das Urt. des BG verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Die Abschleppanordnung stand im Einklang mit dem bundesverfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Auch die an diese Maßnahme anknüpfende Heranziehung des Kl. zur Kostentragung lässt keinen Verstoß gegen Bundesrecht erkennen. Die Revision führt daher zur Änderung des Berufungsurteils und zur vollständigen Zurückweisung der Berufung."
[10] Zwar sind die Rechtsgrundlagen für den von der Bekl. gegen den Kl. geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch im Wesentlichen dem irrevisiblen Landesrecht zu entnehmen, namentlich den Vorschriften des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) und des Hessischen Verwaltungskostengesetzes (HVwKostG) sowie der Verwaltungskostenordnung für den Geschäftsbereich des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport, auf die die Abschleppanordnung und die daran anschließende Heranziehung des Kl. zur Kostentragung gestützt sind. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt jedoch, ob das BG dabei den bundesverfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zutreffend angewendet hat (st. Rspr.; vgl. u.a. Beschl. v. 18.2.2002 – BVerwG 3 B 149.01 – [zfs 2002, 503 =] Buchholz 442.151 § 12 StVO Nr. 10 S. 2 m.w.N.). Dass die Inanspruchnahme des Kl. unabhängig davon aus Gründen des Landesrechts rechtswidrig war, haben die Vorinstanzen nicht angenommen; das ist auch sonst nicht ersichtlich.
[11] 1. Entgegen der Auffassung des BG musste hier zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme nicht länger mit der Abschleppanordnung abgewartet werden. Der bundesverfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebietet nicht, dass in den Fällen eines Verstoßes gegen das absolute Haltverbot, das an Taxenständen nach dem Zeichen 229 für andere als betriebsbereite Taxen gilt, im Allgemeinen eine Wartezeit von mindestens 30 Minuten seit der Feststellung des unzulässigen Abstellens eingehalten werden muss, bevor eine Abschleppmaßnahme eingeleitet werden darf.
[12] a) Nach der Rspr. des erkennenden Senats und des zuvor für das Straßenrecht zuständigen 7. Senats des BVerwG ist es zwar unverhältnismäßig, einen bloßen Verstoß etwa gegen das Verbot des Gehweg-Parkens oder allein die Vorbildwirkung des fehlerhaften Verhaltens, also ausschließlich generalpräventive Erwägungen, zum Anlass für Abschleppmaßnahmen zu nehmen; andererseits ist es aber nicht zweifelhaft, dass verbotswidrig abgest...