AVB Luftfahrthaftpflicht § 4
Leitsatz
Eine Regelung in den Bedingungen einer Luftfahrt-Haftpflichtversicherung, nach der kein Versicherungsschutz besteht, wenn der Führer des Luftfahrzeugs bei Eintritt des Ereignisses nicht die vorgeschriebenen Erlaubnisse, erforderlichen Berechtigungen oder Befähigungsnachweise hatte, ist nicht als objektiver Risikoausschluss, sondern als verhüllte Obliegenheit zu qualifizieren.
BGH, Urt. v. 14.5.2014 – IV ZR 288/12
Sachverhalt
Die Kl. begehren die Feststellung, dass die Bekl. ihnen Haftpflichtversicherungsschutz für einen Unfall bei einer Flugschau in E am 26.4.2008 zu gewähren habe. Die Kl. zu 1 war VN und Halterin des bei der Bekl. haftpflichtversicherten Flugzeugs, mit dem der als Luftfahrzeugführer mitversicherte Kl. zu 2 – ihr Gesellschafter und Geschäftsführer – den genannten Unfall verursachte.
In den der Versicherung zugrunde liegenden Haftpflichtversicherungsbedingungen – im Folgenden kurz: HVB – heißt es unter anderem:
"§ 4 Ausschlüsse"
1. Kein Versicherungsschutz besteht, …
1.3. wenn der/die Führer des Luftfahrzeugs bei Eintritt des Ereignisses nicht die vorgeschriebenen Erlaubnisse, erforderlichen Berechtigungen oder Befähigungsnachweise hatten; … “
Bei dem Flugzeug handelt es sich um ein sog. Agrarflugzeug mit einem circa 680 l fassenden Chemikalienbehälter, aus dem feste oder flüssige Stoffe gestreut oder gesprüht werden können. Mit diesem Flugzeug wollte der Kl. zu 2, der kurzfristig für einen zunächst vorgesehenen anderen Piloten eingesprungen war, bei der Flugschau Wasser aus niedriger Höhe abwerfen (sog. Feuerlöschübung). Beim Start brach das Flugzeug nach rechts aus und kam von der Start- und Landebahn ab. Der Kl. zu 2 brach den Start jedoch nicht ab, sondern gab weiter Vollgas in der Hoffnung, genügend Höhe zu gewinnen. Dies misslang, weshalb er in Verkaufsstände und Zuschauer raste. Es gab zwei Tote und mehrere, teils schwer, Verletzte. Den für dieses Ereignis von den Kl. nachgesuchten und mit der Klage geltend gemachten Haftpflichtversicherungsschutz verweigert die Bekl. unter anderem, weil:
der Kl. zu 2 [was streitig ist] nicht über die gem. § 4 1.1.3. HVB vorgeschriebenen Erlaubnisse, Berechtigungen und Befähigungsnachweise verfügt habe. So habe er über keine Streu- und Sprühberechtigung gem. § 86 LuftPersV verfügt, sei in dem die Flugschau betreffenden Genehmigungsbescheid nicht als Pilot aufgeführt und sei seine Klassenberechtigung für einmotorige Landflugzeuge zum 2.8.2006 abgelaufen gewesen. Des Weiteren habe der Kl. zu 2 die Schäden bedingt vorsätzlich herbeigeführt. Um das Flugzeug und den eigenen Ruf nicht zu beschädigen, habe er bewusst den Start nicht abgebrochen, das Verbot, Menschen zu überfliegen, missachtet und Schäden für Zuschauer und Aussteller in Kauf genommen.
Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Dagegen wenden sich die Kl. mit ihrer Revision.
2 Aus den Gründen:
[16] "… II. Die Abweisung des Hauptantrags hält rechtlicher Nachprüfung mit der gegebenen Begründung nicht stand. Insoweit bedarf es weiterer Feststellungen, weshalb die Sache an das BG zurückzuverweisen ist."
[17] 1. Die Regelung in § 4 1.1.3. HVB beinhaltet entgegen der Auffassung des BG keinen Risikoausschluss, sondern eine verhüllte Obliegenheit des VN.
[18] a) Als verhüllte Obliegenheiten werden Klauselbedingungen bezeichnet, die wie ein Risikoausschluss formuliert sind, in Wahrheit den Versicherungsschutz aber von einem bestimmten Verhalten des VN abhängig machen. Die Abgrenzung einer verhüllten Obliegenheit von einer Risikobegrenzung richtet sich entscheidend nicht nach dem Wortlaut und der Stellung der Klausel innerhalb eines Bedingungswerks. Ausschlaggebend ist vielmehr ihr materieller Gehalt; es kommt darauf an, ob sie die individualisierende Beschreibung eines bestimmten Wagnisses enthält, für das der VR keinen Versicherungsschutz gewähren will, oder ob sie in erster Linie ein bestimmtes Verhalten des VN fordert, von dem es abhängt, ob er einen zugesagten Versicherungsschutz behält oder verliert (st. Rspr., vgl. nur Senat VersR 2011, 1048 Rn 29 … ).
[19] b) Nach diesen Maßstäben liegt hier eine verhüllte Obliegenheit vor.
[20] aa) Allerdings scheint der Wortlaut der Klausel zunächst auf einen Risikoausschluss hinzudeuten. Die Formulierung “Kein Versicherungsschutz besteht, wenn … ‘ ist insb. im Zusammenhang mit der Überschrift “Ausschlüsse‘ typisch für die Einleitung rein objektiv zu bestimmender Ausschlusstatbestände.
[21] Ferner sind ähnliche Klauseln in der Luftfahrtversicherung von der Rspr. bisher als Risikobeschränkungen eingestuft worden. So hat der Senat eine Regelung wie die des § 4 1.1.2. HVB, nach der der Luftfahrtbetrieb, soweit gesetzlich vorgeschrieben, behördlich genehmigt sein muss, als sekundäre Risikobegrenzung angesehen (VersR 1990, 482 unter 2 a); in der obergerichtlichen Rspr. ist dies auch für das Vorliegen der notwendigen Erlaubnisse und Berechtigungen des Luftfahrzeugführers im Zeitpunkt des Schadenereignisses angenommen worden (OLG Stuttgart VersR 2011, 1559; OLG Celle VersR...