StVG § 7 Abs. 1 § 17 § 18; StVO § 8 Abs. 1a § 41 Abs. 1, Zeichen 205, 215; VVG § 115; ZPO § 296
Leitsatz
Kommt es im Bereich einer vorfahrtsgeregelten Einmündung zu einer Kollision zwischen dem wartepflichtigen und dem vorfahrtsberechtigten Verkehr, spricht der Beweis des ersten Anscheins regelmäßig dafür, dass der Wartepflichtige den Unfall durch eine schadhafte Vorfahrtsverletzung verursacht hat. Das gilt auch für die Vorfahrtsverletzung im Kreisverkehr.
(Leitsätze der Schriftleitung)
LG Saarbrücken, Urt. v. 28.3.2014 – 13 S 196/13
Sachverhalt
Der Kl. fuhr im Kreisverkehr und passierte die Einmündung der Straße in den Kreisverkehr. Der Erstbeklagte, dessen Pkw bei der Zweitbeklagten haftpflichtversichert ist, schleppte ein weiteres Fahrzeug mit einem ca. 5 Meter langen Abschleppseil ab und fuhr in den Kreisverkehr ein. Noch bevor sich das abgeschleppte Fahrzeug vollständig im Kreisverkehr befand, kollidierte die vordere linke Ecke des Fahrzeugs des Kl. mit der hinteren linken Ecke des Beklagtenfahrzeugs. Dadurch entstand dem Kl. ein Schaden von 2.437,70 EUR. Der Kl. hat behauptete, er sei von der Straße her in den Kreisverkehr eingefahren und habe sich zwischen der Einmündung zweier Straßen im Kreisverkehr befunden, als der Erstbeklagte in den Kreisverkehr eingefahren sei. Die Bekl. haben zum Hergang des Unfalls behauptet, der Kl. sei mit überhöhter Geschwindigkeit in den Kreisverkehr eingefahren. Als der Erstbeklagte in den Kreisverkehr eingefahren sei, sei das Fahrzeug des Kl. noch nicht zu sehen gewesen. Das AG hat die Bekl. zum Ersatz des dem Kl. aus dem Unfall erwachsenen Schadens verurteilt. Nach den Grundsätzen über den Beweis des ersten Anscheins stehe es fest, dass der Erstbeklagte die Vorfahrt des Kl. verletzt habe. Es sei nicht aufklärbar, welcher der unfallbeteiligten Fahrer zuerst in den Kreisverkehr eingefahren sei. Damit spreche ein Beweis des ersten Anscheins für eine Vorfahrtverletzung des Erstbeklagten, den dieser nicht erschüttert habe. Die Berufung der Bekl. wendet sich gegen die Bejahung eines Anscheinsbeweises zu Lasten der Bekl. Das AG hätte es als erwiesen ansehen müssen, dass der Erstbeklagte als erster in den Kreisverkehr eingefahren sei. Das AG habe auch die Beweisangebote zur Einholung eines Sachverständigengutachtens und zur Durchführung einer Ortsbesichtigung rechtswidrig übergangen. Die Berufung hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen:
" … 1. Das Erstgericht hat den Unfallhergang im Wesentlichen als unaufklärbar angesehen. Insb. hat es angenommen, es sei nicht mehr feststellbar, von welcher Einmündung her der Kl. in den Kreisverkehr eingefahren ist und ob sein Fahrzeug für den Erstbeklagten bereits erkennbar war, als dieser in den Kreisverkehr einfuhr. Hiergegen wendet sich die Berufung ohne Erfolg."
a) In tatsächlicher Hinsicht ist das BG nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte in diesem Sinne sind alle objektivierbaren, rechtlichen und tatsächlichen Einwände gegen die erstinstanzlichen Feststellungen. Bloße subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte wollte der Gesetzgeber ausschließen (vgl. BGHZ 164, 330, 332 m.w.N.).
b) Konkrete Anhaltspunkte, die solche Zweifel begründen und eine erneute Feststellung gebieten könnten, liegen nicht vor. In seiner Beweiswürdigung hat sich das Erstgericht entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt, ohne gegen Denk- oder Erfahrungsgesetze zu verstoßen. Dabei hat das Erstgericht nicht verkannt, dass die Unfallschilderung des Kl. nicht außer Zweifel steht. Denn die Zeugin … , auf deren Bekundungen sich der Kl. maßgeblich zum Nachweis seiner Unfalldarstellung stützt, hat – wie auch der Kl. im Verfahren 5 C 70/13 (03) – im Detail unterschiedliche Unfalldarstellungen unterbreitet. Das Erstgericht hat diese Umstände jedoch nachvollziehbar gewürdigt und ist zu dem vertretbaren Ergebnis gekommen, dass diese Widersprüche ihren Grund nicht in einer Falschaussage haben müssen, sondern die Zeugin möglicherweise in Verkennung der Bedeutung ihrer Aussage bei der ersten polizeilichen Anhörung nicht zwischen der ersten und der zweiten Durchfahrt des Kreisverkehrs unterschieden hat. Unter diesen Umständen ist es nicht zu beanstanden, dass das Erstgericht den Bekundungen der von den Bekl. angeführten Zeugen nicht den Vorzug eingeräumt hat. Konkrete Umstände, aufgrund derer das Erstgericht seine Überzeugung allein auf deren Bekundungen hätte stützen müssen, vermag auch die Berufung nicht aufzuzeigen. Soweit sie der Beweiswürdigung des Erstgerichts entgegenhält, die Bekundungen der Zeugen der Beklagtenseite seien glaubhaft, setzt sie lediglich – in unzulässiger Weise – ihre eigene...