UrhG § 721 § 97 Abs. 1 S. 1
Leitsatz
Die Verletzung eines bestimmten Schutzrechts (hier des Rechts nach § 72 Abs. 1 UrhG an einem Lichtbild) kann die Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht nur für Verletzungen desselben Schutzrechts, sondern auch für Verletzungen anderer Schutzrechte (hier der Rechte nach § 72 Abs. 1 UrhG an anderen Lichtbildern) begründen, soweit die Verletzungshandlungen trotz Verschiedenheit der Schutzrechte im Kern gleichartig sind.
BGH, Urt. v. 20.6.2013 – I ZR 55/12
Sachverhalt
Der Kl. ist Kfz-Sachverständiger, die Bekl. ein Versicherungsunternehmen. Nach einem Unfall, an dem ein VN der Bekl. beteiligt war, begutachtete der Kl. im Auftrag des Geschädigten dessen bei dem Unfall beschädigtes Motorrad. Er fertigte 34 Lichtbilder des Motorrads und übermittelte sein mit den Lichtbildern versehenes Gutachten an die Bekl. Diese stellte am 20.5.2005 fünf der Lichtbilder in eine Restwertbörse im Internet ein. Die Bekl. teilte dem Kl. auf dessen Anfrage mit, sie könne nicht mehr ermitteln, welche fünf Lichtbilder sie seinerzeit in die Restwertbörse eingestellt habe.
Der Kl. hat die Verurteilung der Bekl. verfolgt, ihr unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verbieten, Fotos aus seinem Gutachten künftig ohne seine Einwilligung im Internet öffentlich zugänglich zu machen.
Das BG bestätigte die Klageabweisung durch das LG.
Die Revision des Kl. führte zur Aufhebung des angefochtenen Berufungsurteils und zur Zurückverweisung.
2 Aus den Gründen:
[10] "… II. Der mit der Klage geltend gemachte Unterlassungsantrag ist zwar nicht hinreichend bestimmt (dazu 1). Dies hat allerdings nicht zur Folge, dass dieser Antrag als unzulässig abzuweisen ist. Vielmehr ist insoweit das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das BG zurückzuverweisen. Dem Kl. ist Gelegenheit zu geben, sein Unterlassungsbegehren in einen Antrag zu fassen, der dem Bestimmtheitsgebot entspricht. Dem Kl. steht – entgegen der Ansicht des BG – ein diesem Begehren entsprechender materiell-rechtlicher Unterlassungsanspruch zu (dazu 2)."
[11] 1. Der mit der Klage geltend gemachte Unterlassungsantrag ist nicht hinreichend bestimmt.
[12] a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Unterlassungsantrag – und nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung – nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht mehr klar umrissen sind, der Bekl. sich deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Bekl. verboten ist; der Mangel der Bestimmtheit des Klageantrags ist auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachten (st. Rspr.; vgl. BGHZ 156, 1, 8 f. = NJW 2003, 3406 – Paperboy; BGHZ 189, 56 = GRUR 2011, 1043 = WRP 2011, 1454 – TÜV II; BGH GRUR-RR 2012, 475 Rn 16).
[13] b) Die im Unterlassungsantrag eingeblendeten – und im Berufungsurteil wiedergegebenen – Schwarz-Weiß-Kopien der Fotografien aus dem Gutachten des Kl. lassen die kopierten Fotografien nicht hinreichend deutlich erkennen. Das BG hat die Kopien zu Recht als nebelhaft bezeichnet. Die Fotografien, deren Schwarz-Weiß-Kopien in den Klageantrag eingeblendet sind, befinden sich im Revisionsverfahren auch nicht bei den Gerichtsakten. Die vom Kl. nach Verkündung des Revisionsurteils – das Urteil ist gem. § 310 Abs. 1 ZPO in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet worden – und vor seiner vollständigen Abfassung zu den Akten gereichten Fotografien können nicht mehr berücksichtigt werden. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass sich die Fotografien nach Darstellung des Kl. in den Tatsacheninstanzen bei den Gerichtsakten befunden haben, jedoch wieder zurückgegeben worden sind. Für die rechtliche Beurteilung in der Revisionsinstanz ist daher davon auszugehen, dass die Fotografien weder aus dem Unterlassungsantrag noch aus den zu seiner Auslegung heranzuziehenden Gerichtsakten ausreichend deutlich zu erkennen sind. Der Antrag, mit dem der Bekl. das öffentliche Zugänglichmachen dieser Fotografien verboten werden soll, ist daher nicht hinreichend bestimmt.
[14] 2. Die mangelnde Bestimmtheit des Unterlassungsantrags hat nicht zur Folge, dass dieser Antrag als unzulässig abzuweisen ist. Vielmehr ist insoweit das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das BG zurückzuverweisen, um dem Kl. aus Gründen der prozessualen Fairness Gelegenheit zu geben, das mit diesem Antrag verfolgte Begehren in einen Antrag zu fassen, der dem Bestimmtheitsgebot entspricht (vgl. BGH, GRUR 2007, 607 = NJOZ 2007, 4771 = WRP 2007, 775 Rn 18 – Telefonwerbung für “Individualverträge‘; BGH GRUR 2011, 539 = WRP 2011, 742 Rn 18 – Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker, jew. m.w.N.). Dem Kl. steht – entgegen der Ansicht des BG – ein diesem Begehren entsprechender materiell-rechtlicher Unterlassungsanspruch zu (vgl. BGHZ 156, 1, 10 = NJW 2003, 3406 – Paperboy; BGH GRUR 2012, 945 = WRP 2012, 1222 Rn 27 – Tribenuronmethyl). Er kann von der Bekl. gem. § 97 A...