PflVG § 1 § 6; FZV § 10 Abs. 4 § 23; AKB 2008 Nr. H.3.2.1
Leitsatz
Besteht eine vorläufige Deckungszugsage auch für Zulassungsfahrten nach H.3.1 AKB 2008, so erfüllt eine Fahrt vor der Zulassung des Fahrzeugs zu anderen als Zulassungszwecken nicht den objektiven Tatbestand des § 6 Abs. 1 PflVG, weil hierin lediglich die Verletzung einer Obliegenheitspflicht im Rahmen eines bestehenden Versicherungsverhältnisses zu sehen ist, die nicht den Bestand des Versicherungsvertrags an sich beeinträchtigt.
(Leitsatz des Einsenders)
OLG Celle, Beschl. v. 8.8.2013 – 31 Ss 20/13
Sachverhalt
Der Angekl. beantragte am 4.3.2012 für das neu erworbene Fahrzeug seiner Ehefrau im Internet eine Kfz-Haftpflichtversicherung und erhielt am Folgetag per E-Mail die entsprechende Versicherungsbestätigung mit der Zusage, es bestehe Versicherungsschutz für "Zulassungsfahrten (nicht gültig für Kurzzeitkennzeichen), wenn die Zulassungsbehörde vorab ein ungestempeltes Kennzeichen zugeteilt hat". In Kenntnis dieses Schreibens befuhr der Angekl. mit dem Fahrzeug am 10.3.2012 gegen 22.42 Uhr öffentliches Straßenland. An dem Fahrzeug waren noch die gestempelten Kennzeichen des Voreigentümers. Der Fahrzeugbrief (Zulassungsbescheinigung Teil II) war hingegen ungültig gestempelt, weshalb der Angekl. nicht in der Lage gewesen wäre, das Fahrzeug zuzulassen. Die Polizei hielt den Angekl. an, weil das Fahrzeug wegen fehlender Haftpflichtversicherung zur Entstempelung ausgeschrieben war.
Das AG verurteilte den Angekl. u.a. wegen eines Vergehens gegen §§ 1, 6 PflVG. Die Berufung zum LG blieb erfolglos. Auf die durch den Angekl. eingelegte Revision hob das OLG die Verurteilung wegen des Verstoßes gegen das PflVG auf und sprach den Angekl. insoweit frei.
2 Aus den Gründen:
" … Tathandlung nach § 6 PflVG ist der Gebrauch eines Fahrzeugs ohne zivilrechtlich wirksamen Haftpflichtversicherungsvertrag. Demgemäß fehlt es am äußeren Tatbestand der Strafvorschrift, sofern im Zeitpunkt der Verwendung des Fahrzeugs im Verkehr ein gültiger, den Erfordernissen des § 1 PflVG genügender Haftpflichtversicherungsvertrag besteht. Unter Haftpflichtversicherungsvertrag ist jede vertragliche Beziehung zu verstehen, die eine den Vorschriften des Gesetzes entsprechende Haftpflichtversicherung zum Gegenstand hat, namentlich auch die vorläufige Deckungszusage des Versicherers (BGHSt 33, 172, 175). Händigt der Versicherer dem Versicherungsnehmer die für die behördliche Zulassung seines Fahrzeugs nach § 23 Abs. 1 FZV erforderliche Versicherungsbestätigung aus oder nennt der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei elektronischer Versicherungsbestätigung nach § 23 Abs. 3 FZV die Versicherungsbestätigungsnummer, so liegt darin gem.B.2.1. AKB 2008 die Zusage vorläufiger Deckung (vgl. Jacobsen in Feyock/Jacobsen/Lemor, Kraftfahrtversicherung, 3. Aufl., B AKB 2008, Rn 19). Dieses Verfahren beruht auf § 9 Satz 1 KfzPflVV und § 5 Abs. 6 PflVG. Solange diese Zusage gilt, besteht ein wirksamer Haftpflichtversicherungsvertrag (vgl. BGH a.a.O.; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl. § 23 FZV Rn 6)."
Zwar wird als Beginn des vorläufigen Versicherungsschutzes regelmäßig – so auch im vorliegenden Fall – der Tag der Zulassung vereinbart. Allerdings besteht nach H.3.1 AKB 2008 in der Kfz-Haftpflichtversicherung auch Versicherungsschutz für Zulassungsfahrten mit ungestempelten Kennzeichen, ausgenommen Fahrten, für die ein rotes Kennzeichen oder ein Kurzzeitkennzeichen benutzt werden muss. Dieser erweiterte Versicherungsschutz korrespondiert mit § 10 Abs. 4 FZV; danach dürfen Fahrten, die im Zusammenhang mit dem Zulassungsverfahren stehen, insb. Fahrten zur Anbringung der Stempelplakette sowie Fahrten zur Durchführung einer Hauptuntersuchung oder einer Sicherheitsprüfung innerhalb des Zulassungsbezirks und eines angrenzenden Bezirks mit ungestempelten Kennzeichen durchgeführt werden, wenn die Zulassungsbehörde vorab ein solches zugeteilt hat und die Fahrten von der Kfz-Haftpflichtversicherung erfasst sind.
Hieran anknüpfend definiert H.3.2 AKB 2008 Zulassungsfahrten als "Fahrten, die im Zusammenhang mit dem Zulassungsverfahren innerhalb des für den Halter zuständigen Zulassungsbezirks und eines angrenzenden Zulassungsbezirks ausgeführt werden." Das sind "Fahrten zur Durchführung der Hauptuntersuchung, Sicherheitsprüfung oder Abgasuntersuchung oder Zulassung, wenn die Zulassungsbehörde vorab ein ungestempeltes Kennzeichen zugeteilt hat". Den Versicherungsschutz für Zulassungsfahrten mit ungestempelten Kennzeichen weist der Halter gegenüber der Zulassungsbehörde mittels der Versicherungsbestätigung nach Anlage 11 Nr. 1 FZV nach. Will der Versicherer diesen Schutz nicht bieten, kann er den entsprechenden Passus streichen. Dieses Verfahren ist auch bei der seit dem 1.9.2008 vorgeschriebenen elektronischen Versicherungsbestätigung nach § 23 Abs. 3 FZV möglich (vgl. Jacobsen a.a.O., H ABK 2008, Rn 28). Im vorliegenden Fall hatte der Versicherer den Passus nicht gestrichen, so dass auch Versicherungsschutz für Zulassungsfahrten m...