Der Bundesverkehrsminister ist fest gewillt, in Deutschland eine Straßenbenutzungsgebühr für alle Kraftfahrzeuge bis 3,5 t einzuführen. Eine kühne Idee, wenn man bedenkt, dass Ausgangspunkt der Überlegungen die Einführung einer Autobahnmaut für ausländische Fahrzeuge war. Die Infrastruktur-Abgabe soll dabei unabhängig davon gelten, ob und wie intensiv öffentliche Straßen mit einem Pkw benutzt werden.
Rechtliche Bedenken gegen das Vorhaben lässt der Verkehrsminister nicht gelten. Weder verfassungsrechtliche Einwände noch europarechtliche Probleme können ihn daran hindern, ausländische Autofahrer zur Kasse zu bitten.
Die verfassungsrechtlichen Probleme einer solchen Gebühr liegen auf der Hand. Man wird schwerlich einen sachlichen Grund dafür finden, weshalb ein 40 t-Lkw die Gemeindestraße kostenlos nutzen darf, ein Smart aber die Jahresgebühr bezahlen muss. Dagegen lässt sich auch nicht mit der Lkw-Maut für die Autobahnbenutzung argumentieren. Diese ist nämlich eine anlassbezogene echte Nutzungsgebühr, während die Infrastruktur-Abgabe gerade unabhängig von der konkreten Nutzung der Straßen sein soll.
Erläuterungsbedürftig ist auch die Frage, weshalb ein deutscher Halter stets die Jahresgebühr zahlen muss, der ausländische Halter sich jedoch je nach Bedarf für zehn Tage oder zwei Monate erheblich günstiger eindecken kann. Zwar steht das Europarecht einer Schlechterstellung der inländischen Fahrzeughalter nicht entgegen, wohl aber der Gleichheitssatz gem. Art. 3 GG. Interessant dürfte auch die Frage sein, ob und ggf. welcher Anteil der Abgabe erstattet wird, wenn das Fahrzeug im Laufe des Jahres abgemeldet wird.
Der EuGH hat sich mit der Frage der Verknüpfung der Einführung einer Straßenbenutzungsgebühr mit der kompensatorischen Senkung der Kfz-Steuer bereits einmal befasst. Im Urteil v. 19.5.1992 (C-195/90 – Schwerlastverkehrsabgabe) erklärte der EuGH eine Straßenbenutzungsgebühr für europarechtswidrig, die wirtschaftlich nur ausländische Transportunternehmen trifft, weil den inländischen Unternehmern gleichzeitig durch eine Steuersenkung eine Kompensation gewährt wird. Auch wenn die damalige Entscheidung in erster Linie wirtschaftlich konkurrierende Transportunternehmen betraf, enthält sie einige Hinweise, die die jetzt geplante Regelung höchst bedenklich machen.
Der EuGH prüfte bereits damals nicht jedes Gesetz gesondert, sondern betrachtete das wirtschaftliche Zusammenspiel mehrerer Gesetze. Die Argumentation, die Infrastruktur-Abgabe treffe alle EU-Bürger in gleicher Weise, die Kfz-Steuer sei dagegen nur für im Inland zugelassene Fahrzeuge relevant, wird daher nicht greifen. Dafür hat man im Übrigen auch viel zu laut verkündet, dass kein deutscher Autofahrer zusätzlich belastet werden soll.
Staatsrechtlich schwierig wird die Frage, wem die Straßennutzungsgebühr eigentlich zustehen soll. Während die Kfz-Steuer als Bundessteuer vollständig dem Bundeshaushalt zufließt, wird eine Infrastrukturabgabe wohl überwiegend von den Ländern und Kommunen beansprucht werden, nachdem 92 % des deutschen Straßennetzes von Ländern und Kommunen betrieben und unterhalten werden.
Aber nicht nur rechtlich, auch politisch ist die Abgabe unausgegoren und sollte schnellsten wieder in der Schublade nicht verwirklichbarer Koalitionsvorhaben verschwinden.
Über viele Jahrzehnte wurde daran gearbeitet, die Zoll- und Grenzhäuschen zu unseren Nachbarstaaten abzubauen. Jetzt sollen sie als Kassenhäuschen wieder geöffnet werden. Selbst der bayerische Innenminister reklamierte öffentlich, dass wenigstens der kleine Grenzverkehr weiterhin ohne Eintrittsgeld möglich sein müsse.
Der Bund nimmt jährlich aus der Kfz-Steuer knapp 8,5 Mrd. EUR ein (Quelle: Statistisches Bundesamt). Selbst wenn im Ergebnis durch ausländische Autofahrer nach Abzug der Verwaltungskosten tatsächlich 300 Mio. übrig bleiben sollten, steht der Imageschaden, wenn 25 Jahre nach dem Fall der Mauer ein neues Eintrittsgeld in Deutschland eingeführt wird, in keinem Verhältnis dazu. Wenn unsere Nachbarn nicht mehr zum Einkaufen oder auch nur zum Kaffee trinken kommen, weil sie dafür jedes Mal 20 EUR zusätzlich zahlen müssen, verschwindet ein Teil inzwischen gelebter Normalität gerade in Grenzregionen. Dieses Gut ist aber zu wichtig, um es auf dem Altar hektisch ausgehandelter Koalitionsverträge zu opfern.
Autor: Oskar Riedmeyer
RA Oskar Riedmeyer, FA für Verkehrsrecht, München
zfs 8/2014, S. 421