I. Verfahrensrechtliches

Der Prozessvergleich hat eine Doppelnatur. Er stellt sowohl eine Prozesshandlung dar als auch ein Rechtsgeschäft im materiell-rechtlichen Sinne, nämlich einen Vergleichsvertrag. Ist der Vergleich nach materiellem Recht nichtig oder wirksam angefochten, tritt auch die verfahrensrechtliche Wirkung der Prozessbeendigung durch den Vergleich nicht ein. Bezweifelt eine Partei die sachlich-rechtliche Wirksamkeit des Prozessvergleichs, so hat das Prozessgericht den Rechtsstreit, in dem der Vergleich geschlossen wurde, fortzusetzen. Wird hierbei festgestellt, dass der Vergleich unwirksam war, so wird der nur scheinbar durch den Vergleich beendete Rechtsstreit mit der Entscheidung über den ursprünglichen Klageantrag fortgesetzt (BGH BGHZ 86, 184, 188). So war dies hier im Fall des BGH. Ist der Vergleich hingegen materiell-rechtlich wirksam, so stellt das Prozessgericht fest, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich erledigt ist.

II. Streitwert

Wie sich der Streitwert bemisst, hängt entscheidend davon ab, was Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist. Damit hat das Verfahrensrecht direkten Einfluss auf den Streitwert.

Der Wert eines Rechtsstreits über die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs bestimmt sich grds. nicht nach dem Wert des Vergleichs, sondern nach dem Wert der ursprünglich gestellten Anträge (BGH RVGreport 2007, 158 (Hansens); BGH RVGreport 2012, 201 (ders.) = AGS 2012, 570 und der BGH hier). Das waren hier die mit dem ursprünglichen Klageantrag geltend gemachten 362.798,60 EUR. Deshalb war hier – worauf der BGH hingewiesen hat – nicht auf das wirtschaftliche Interesse des Kl. an dem Fortbestand des Vergleichs anzuknüpfen, das hier wohl mit 2 Mio. EUR anzusetzen war. Im vorliegenden Rechtsstreit waren nämlich keine Ansprüche aus dem Vergleich geltend gemacht worden waren.

Etwas anderes gilt nur bei folgenden abweichenden Verfahrensgestaltungen:

Ein solcher Ausnahmefall liegt einmal dann vor, wenn die Anfechtung des Vergleichs nicht auf den ursprünglichen Streitstand zurückführt, sondern einen bereits erzielten Teilerfolg bestehen lässt. Dies kann etwa dann gegeben sein, wenn der Kläger mit dem Vergleich einen Teilerfolg erzielt hat, den er jedoch mit der Anfechtung des Vergleichs nicht infrage stellen möchte. In einem solchen Fall bleibt der Vergleich hinter dem durch eine Fortführung des Rechtsstreits Erreichbaren zurück. Folglich kommt es dann nur auf das Interesse der anfechtenden Partei an (BGH RVGreport 2007, 158 (Hansens); OLG Bamberg JurBüro 1998, 541; OLG Frankfurt/Main OLGR 2004, 122).

Andererseits kann der Streitwert eines Rechtsstreits über die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs den Wert des ursprünglichen Rechtsstreits auch übersteigen. Ein solcher Fall kann vorliegen, wenn neben der Fortsetzung des ursprünglichen Rechtsstreits gem. § 256 Abs. 2 ZPO auch die Feststellung der Wirksamkeit des Vergleichs beantragt wird (BGH RVGreport 2013, 32 (Hansens) = AGS 2012, 570).

Schließlich kann sich der Streitwert auch dann erhöhen, wenn der den Vergleich Anfechtende beantragt festzustellen, dass der Vergleich unwirksam sei. Bei diesem Antrag handelt es sich um einen Hilfsantrag, der gem. § 45 Abs. 1 S. 2 GKG zu einer Erhöhung des Streitwertes nur führt, soweit eine Entscheidung über ihn ergeht (BGH RVGreport 2013, 32 [Hansens]).

III. Hinweise für den Prozessbevollmächtigten

Der Prozessbevollmächtigte des den gerichtlichen Vergleich Anfechtenden sollte also genau überlegen, welche Anträge erforderlich sind, um die Interessen des Mandanten bestmöglich wahrzunehmen. Eine zu umfassende Antragsstellung kann nicht nur zu einem höheren Streitwert führen, sondern auch höhere und weitere Anwaltsgebühren auslösen. Dies gilt insb. dann, wenn in dem angefochtenen Vergleich anderweitig nicht anhängige Ansprüche mit verglichen worden sind und neben der Fortsetzung des Rechtsstreits auch die Feststellung der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit des Vergleichs begehrt wird (vgl. hierzu Hansens, RVGreport 2009, 48 mit mehreren Berechnungsbeispielen). Zur entsprechenden Anwendung von § 15 Abs. 5 S. 2 RVG im Falle der Anfechtung eines Prozessvergleichs mehr als zwei Jahre nach Abschluss des angefochtenen Vergleichs siehe BGH RVGreport 2011, 17 (Hansens) = AGS 2010, 477.

VorsRiLG Heinz Hansens

zfs 8/2014, S. 467 - 468

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