Die Entscheidung ist bereits im Volltext in zfs 2014, 235 abgedruckt worden, wird an dieser Stelle jedoch noch einmal wg. der aktuellen Problematik der Anordnung einer medizinisch-psychologische Untersuchung im Wiedererteilungsverfahren infolge einer strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis aufgegriffen.
Der VGH BW geht hier davon aus, dass dann, wenn die Fahrerlaubnis durch das Strafgericht wegen einer Trunkenheitsfahrt mit 1,20 Promille nach § 316 StGB entzogen wurde, das Strafgericht festgestellt hat, dass der Betroffene im Zustand alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit ein Fahrzeug geführt habe. Damit liege "Alkoholmissbrauch" i.S.v. Nr. 8.1 Anlage 4 zur FeV vor und die MPU sei nach § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. d FeV i.V.m. § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. a FeV zwingend anzuordnen. Der Beweis des fehlenden Trennungsvermögens ist nach der Entscheidung des VGH BW schon mit einer strafrechtlichen Verurteilung erbracht, bei der das Strafgericht gleichzeitig die Entziehung der Fahrerlaubnis ausspricht. Der Fahrer habe durch die Alkoholfahrt "bewiesen", dass er das Trinken nicht vom Führen eines Fahrzeugs trennen kann. Die strafgerichtliche Erkenntnis ersetze bzw. erübrige insoweit eine bei isolierter Anwendung der Vorschrift erforderliche originäre Prüfung.
Damit ist nach dieser Rspr. schon bei Erreichen der 1,1 Promille (absolute Fahruntüchtigkeit) und unterhalb dieser Grenze bei relativer Fahruntüchtigkeit i.V.m. nachgewiesenen alkoholbedingten Fahrfehlern die MPU zwingend anzuordnen (zu § 316 StGB vgl. Gebhardt, Verteidigung in Verkehrsstraf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren, 7. Aufl. 2012, § 37 Rn 21 ff.; Fischer, StGB, 60. Aufl. 2013 § 316 Rn 24 ff., 31 ff.).
Das steht aber im Gegensatz dazu, dass bislang zur Wiedererteilung von den Führerscheinstellen eine MPU in solchen Fällen nur gefordert wird, wenn der Betr. sein Fahrzeug im Straßenverkehr mit 1,6 Promille oder mehr geführt hatte (§ 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. c FeV) oder zum zweiten Mal mit Alkohol im Verkehr aufgefallen ist (§ 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. b FeV).
Die Entscheidung des VGH BW führt die Rspr. des Senats im Urteil v. 18.6.2012 (10 S 452/10, VBlBW 2013,19 = VerkMitt 2012, 78 = DÖV 1012, 819) fort. Danach kommt eine Gutachtenanordnung nach § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. a FeV auch dann in Betracht, wenn der Schwellenwert nach § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. c FeV von 1,6 Promille bei der Trunkenheitsfahrt selbst noch knapp unterschritten, jedoch infolge desselben Alkoholkonsums kurz danach erreicht wird (Ls. 3 zum Urt. v. 18.6.2012). Dieses Urteil wurde bestätigt durch den Beschl. des BVerwG v. 24.6.2013 (3 B 71.12, zfs 2013, 593 = NJW 2013, 3670 = NZV 2014, 54). Dabei hat das BVerwG dort im Kern nur herausgearbeitet, dass die strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB auch Entziehung i.S.d. § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. d FeV sei. Mit den weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen des § 13 S. 1 Nr. 2 FeV beschäftigt sich das BVerwG nicht. Den Erwägungen des VGH BW v. 18.6.2012 hat sich das OVG Mecklenburg-Vorpommern (Beschl. v. 22.5.2013 – 1 M 123/12, zfs 2013, 595) in einem Fall angeschlossen, in dem der strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis eine BAK von 1,55 Promille zugrunde lag.
Die Entscheidung des VGH BW ist – vor allem auch mit Blick auf ihre Auswirkungen in der Praxis – im Hinblick auf die Gesetzeslage problematisch: Das zuständige Ministerium in BW hat diese Entscheidung dementsprechend auch schon an alle zuständigen Verwaltungsbehörden geschickt, mit der Weisung, die vom VGH BW getroffene Auslegung ab sofort umzusetzen. Die von Mahlberg (DAR 2014, 419) geäußerte Befürchtung eines "innerdeutschen Führerscheintourismus" aus Bad.-Württ. in andere Bundesländer ist berechtigt.
Die Entscheidung des VGH BW v. 15.1.2014 verkennt vor allem in ihrer verallgemeinernden und absoluten Konsequenz das Zusammenspiel der Regelungen des § 13 S. 1 Nr. 2 FeV. Während das Urt. des VGH BW v. 18.6.2012, auf das der Beschl. v. 15.1.2014 aufbaut und dessen Bestätigung durch das BVerwG v. 24.6.2013 (3 B 71.12, zfs 2013, 593 = NJW 2013, 3670 = NZV 2014, 54) noch einen Einzelfall beschieden haben, in dem bei der Trunkenheitsfahrt die 1,6 Promille knapp unterschritten (1,58 Promille), jedoch infolge desselben Alkoholkonsums kurz danach erreicht wurde, geht es im Beschl. v. 15.1.2014 um eine Trunkenheitsfahrt mit 1,2 Promille. Auch dem OVG Mecklenburg-Vorpommern liegt eine knappe Unterschreitung der 1,6 Promille zugrunde (BAK von 1,55 Promille).
§ 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. c FeV (Festlegung der Grenzwerte) und auch § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. b FeV (wiederholte Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss) sind spezialgesetzlich Normen. Ihrer insofern speziellen und abschließenden Regelung und Festlegung hätte es nicht bedurft und es widerspräche ihr, wenn nun über den Umweg des § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. a FeV dies generell auch schon bei einmaligen Alkoholfahrten und mit niedrigeren Blutwerten zu rechtfertigen wäre.
Das hat auch bei der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis zu...