Bezüglich der Frage des angemessenen Zinsfußes ist die Zinssituation am Kapitalmarkt zu betrachten. Dies wurde auch bei dem Verkehrsgerichtstag in Goslar deutlich. Nach einer angeregten Diskussion wurde mit klarer Mehrheit befürwortet, dass der Zinsfuß aktuell 3 % nicht übersteigen sollte. Je nach Länge der Laufzeit muss der Zinsfuß aufgrund der aktuellen Situation auf dem Kapitalmarkt sogar deutlich unter 3 % liegen.
Jahrelang wurde insbesondere von der versicherernahen Literatur postuliert, dass unabhängig vom Kapitalmarkt 5 % stets angemessen seien. Spätestens aufgrund der klaren Empfehlungen auf dem Verkehrsgerichtstag Goslar ist dies nun als überholt anzusehen. In der aktuellen Literatur wird ein Zinsfuß von 5 % nahezu übereinstimmend als "derzeit unrealistisch", "kaum vertretbar", "geradezu absurd" und "maßlos überzogen" gewertet.
Soweit ein Zinsfuß von 5 % vereinzelt immer noch als angemessen angesehen wird, sind die dafür angeführten Begründungen nicht stichhaltig. Der Hinweis auf den BFH greift nicht, da die dortige Rechtsprechung eine völlig andere Materie betrifft. Auch der Hinweis auf die vom Gesetzgeber geregelten Verzugszinsen für Gerichtsverfahren und für Steuerschulden geht fehl, handelt es sich dabei doch ausdrücklich um Sanktionen und nicht um "normale" Zinsen. Auch auf die Erfahrungswerte der Vergangenheit kann nicht zurückgegriffen werden. Zwar gab es in der Vergangenheit Hoch- und Niedrigzinsphasen, eine Niedrigzinsphase in einem solchen Ausmaß, sowohl bezüglich des Zinsfußes als auch bezüglich dessen Dauer, hat es jedoch noch nie gegeben. Die derzeitige außergewöhnliche Situation zeigt sich auch daran, dass niemals zuvor die Lebensversicherer derart grundsätzlich und einschneidend auf eine Zinsphase reagieren mussten. Genau dieser Umstand bestätigt, dass die aktuellen Gegebenheiten gerade nicht mit Vergangenheitsbeispielen vergleichbar sind. Wenn weiter allgemeine Risiken beschrieben werden, die stets bei einer zukünftigen Betrachtung zu berücksichtigen seien, so sind diese im Rahmen der Festlegung von Laufzeit und Sockelbetrag zu würdigen, nicht jedoch bei der Festlegung des zugrunde zu legenden Zinsfußes.
Welcher Zinsfuß im Einzelfall in Ansatz zu bringen ist, muss konkret ermittelt werden. Besonders zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass dem Geschädigten nicht irgendeine – vor allem keine spekulative oder risikoreiche – Geldanlage angediehen werden kann, sondern, dass ausschließlich mündelsichere oder gleichartige Anlagen, die nur einen besonders niedrigen Zins erwirtschaften lassen, in Betracht kommen. Orientierungspunkte zur Höhe des Zinsfußes lassen sich den besprochenen Fachaufsätzen entnehmen. So sei verwiesen auf Car/Mittelstädt, die derzeit 1–2 % für richtig halten; oder Köck, der die Tendenz zu 0 % gehend sieht, ebenso auch Luckey. Genauso darf auf Huber verwiesen werden, nach welchem mehr als 0,5 % derzeit nicht realistisch sind. Auch Jaeger sieht den realistischen Zinsfuß derzeit bei "deutlich unter 2 %".
Unterschiedliche Auffassungen bestehen nach wie vor dahingehend, dass manche Autoren auf den Schadentag und andere auf eine Betrachtung des zu erwartenden Durchschnittszinses über die gesamte Laufzeit abstellen.
Den besten Weg, den Zinsfuß im Streitfall sachgerecht festzulegen, bietet ein finanzwissenschaftliches Sachverständigengutachten. Die Zubilligung eines solchen Anspruches wurde auch auf dem Verkehrsgerichtstag empfohlen. Dass dies von Versichererseite abgelehnt wird, ist nicht verständlich, da auch die Versicherer ein Interesse an einer angemessenen und korrekten Lösung haben müssten. Bekanntermaßen ist es gängige Praxis der deutschen Gerichte, bei nichtjuristischen Vorfragen Sachverständige hinzuzuziehen. Dies muss folgerichtig auch für finanzwissenschaftliche Streitfragen gelten.
Nach aktuellen Prognosen von Finanzexperten wird die Niedrigzinsphase möglicherweise noch Jahrzehnte andauern. Deswegen kann nur geraten werden, auch bei langen Laufzeiten einen niedrigen Zinsfuß – im Einklang mit der Empfehlung des diesjährigen Verkehrsgerichtstages unter 3 % – anzusetzen. Für mündelsichere Anlagen dürften derzeit ausschließlich Zinsen von sogar deutlich unter 1 % erzielbar sein. Schließlich ist auch zu bedenken, dass Zinsen aus Kapitalanlagen grundsätzlich der Kapitalertragssteuer von derzeit 25 % unterliegen, welche als zusätzliche Schadenposition einzurechnen ist.