Die Abstimmung des Arbeitskreises IV des Verkehrsgerichtstages Goslar ergab nur eine knappe Mehrheit gegen einen Anspruch auf Kapitalisierung. Dieses Ergebnis war allerdings offenkundig dem Umstand geschuldet, dass die überwiegende Anzahl der Teilnehmer aus dem Lager der Versicherer bzw. deren Anwälten stammte.
Der Hinweis auf die "funktionierende Regulierungspraxis" mag für viele Fälle zutreffen. Dies kann aber keine Begründung dafür sein, dem Geschädigten eine gerichtliche Überprüfung zu verwehren. Es ist zu bedenken, dass nicht selten Geschädigte auch Gesamtabfindungen akzeptieren, obwohl diese für sie erkennbar ungünstig sind. Der Geschädigte sucht bei solchen einfach nur ein Ende der für ihn psychisch erheblich belastenden Verhandlungen. In den Fällen, in welchen keine Einigung erzielt wird, liegt dies in der Regel daran, dass der Geschädigte nicht bereit oder in der Lage ist, die vom Versicherer vorgegebenen Parameter zu akzeptieren. Zu Recht wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Regulierungsverhandlungen häufig eben nicht auf Augenhöhe laufen. Gerade für diese Fälle muss es möglich sein, die Parameter gerichtlich überprüfen zu lassen, da der Geschädigte sonst schutzlos dasteht. Die "funktionierende Regulierungspraxis" kann nicht dazu führen, dass in den Fällen, in denen die Regulierungspraxis nicht funktioniert, dem Geschädigten eine gerichtliche Überprüfbarkeit verwehrt wird.
Unstreitig ist unter allen Beteiligten, dass sich eine Abfindung vorteilhaft auf die Psyche des Geschädigten auswirkt. Zutreffend weist Lang darauf hin, dass es "medizinisch anerkannt ist, dass es für den weiteren Heilungsverlauf speziell auch psychisch vorteilhaft ist, wenn er (der Geschädigte) im Zuge der Regulierung nicht immer wieder an das Unfallereignis erinnert wird, also darunter einen Schlussstrich ziehen kann." Übereinstimmend äußern sich dazu beispielsweise auch Köck, Huber und Strunk.
Aus den vorgenannten Gründen ist daher nicht nachvollziehbar, dass sich einige Autoren dennoch gegen einen Anspruch auf Kapitalisierung aussprechen. Zu bedenken ist, dass nicht einmal unbedingt eine Gesetzesänderung erforderlich ist, sondern eine streng subjektive Auslegung des § 843 Abs. 3 BGB dahingehend, die positiven Auswirkungen auf die Psyche des Geschädigten als wichtigen Grund anzuerkennen, ausreichen würde. Das ändert allerdings nichts daran, dass die Einführung eines solchen Anspruchs unerlässlich ist, wenn man sich nicht darauf verständigen kann, den "wichtigen Grund" des § 843 Abs. 3 BGB subjektiv zu sehen.
Es ist auch richtig, dass nicht hinter jedem Schädiger ein Versicherer steht. Das spricht jedoch nicht gegen einen Anspruch auf Kapitalisierung. Die Situation ist bereits heute schon bei Vorliegen eines wichtigen Grundes gem. § 843 Abs. 3 BGB gegeben, wie auch bei einem Anspruch des Sozialversicherungsträgers gem. § 110 SGB VII. Der Gesetzgeber hat diesen Umstand also ausdrücklich nicht als Hindernis angesehen. Aus diesem Grunde kann ein genereller Anspruch auf Kapitalisierung auch kein Systembruch sein.
Es liegt in der Natur der Sache, dass der Geschädigte in solchen Fällen Ansprüche befriedigt bekommt, die erst in der Zukunft entstehen. Auch dies hat der Gesetzgeber in den beiden benannten Vorschriften (§ 843 Abs. 3 BGB, § 110 SGB VII) ausdrücklich so vorgesehen. Zudem zeigt die bereits erwähnte Regulierungspraxis, dass eine Bemessung solcher Ansprüche ohne Weiteres möglich ist. Auch die Gerichte müssen ohnehin regelmäßig Ansprüche der Zukunft bewerten, wenn sie Rentenzahlungen zusprechen oder Abfindungsvorschläge zur vergleichsweisen Einigung unterbreiten.
Soweit Lang darauf hinweist, dass eine Anregung des Bundesrates "nach Anhörung der Verbände" mangels Änderungsbedarfs nicht weiterverfolgt werden konnte, stellt sich die Frage, welche Verbände denn angehört wurden und wer der Meinung war, dass ein Änderungsbedarf nicht besteht. Dass vom GDV aus ein Änderungsbedarf nicht gesehen wurde, liegt auf der Hand. Auch dass die Verkehrsgerichtstage Goslar 1981 und 2005 einen Anspruch verworfen haben, lag in erster Linie daran, dass die Mehrheit der Teilnehmer aus dem Bereich der Versicherer kam, sodass letztlich die Abstimmungsergebnisse auch entsprechend ausgefallen sind.