VVG § 103
Leitsatz
Die Haftung des Haftpflichtversicherers ist ausgeschlossen, wenn der Schaden vorsätzlich herbeigeführt ist. Dazu gilt: Bei einer Blutalkoholkonzentration von 2,17 ‰ kommt in Betracht, dass erhebliche Verletzungen durch einen Faustschlag und einen Fußtritt nicht vorsätzlich herbeigeführt sind. Eine vorweggenommene Beweiswürdigung – zulasten des VN – im PKH-Verfahren ist in einem solchen Fall grds. (und so auch hier) nicht möglich.
OLG Hamm, Beschl. v. 11.1.2019 – 20 W 25/18
Sachverhalt
Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine von ihm beabsichtigte Klage, mit der er nunmehr noch die Feststellung begehrt, dass die Bekl. – bei der für den Antragsteller eine private Haftpflichtversicherung besteht –, verpflichtet ist, dem Antragsteller wegen eines Schadensereignisses vom 16.10.2016 bedingungsgemäßen Versicherungsschutz zu gewähren.
An diesem Tag habe der Antragsteller gegen 00:30 Uhr als Gast einer privaten Geburtstagsfeier einem anderen Gast nach einer zunächst nur verbal geführten Auseinandersetzung einen Faustschlag und einen Fußtritt versetzt, wodurch jener erheblich verletzt wurde. Nach dem Vorfall sei bei dem Antragsteller eine Blutalkoholkonzentration von 2,17 ‰ festgestellt worden. Aufgrund dieser Alkoholisierung sei ein vorsätzliches Verhalten nicht gegeben.
2 Aus den Gründen:
"… II. 1. Entgegen der Auffassung des LG bietet die vom Antragsteller beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg."
a) Ein Leistungsausschluss gem. § 103 VVG und Ziff. 7.1 der dem Vertrag zugrunde liegenden AHB mag sich im weiteren Verlauf des Verfahrens ergeben; aus dem bei der Prüfung der Schlüssigkeit der beabsichtigten Klage allein zugrunde zu legenden Vorbringen des Antragstellers ergibt er sich aber nicht.
aa) Zwar trifft es zu, dass § 827 S. 2 BGB auch im Rahmen von § 81 VVG – und damit auch § 103 VVG – entsprechend anzuwenden ist (BGH VersR 2011, 1037). Dies betrifft aber nur Fälle, in denen der VN gegen eine Anwendung von § 81 VVG einwendet, er habe den Versicherungsfall im Zustand der Schuldlosigkeit herbeigeführt, sein Vorsatz habe also wegen einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit nicht auf einer freien Willensbildung beruht.
Eine derart starke Alkoholisierung, dass sie zur Schuldunfähigkeit des Antragstellers i.S.v. § 827 BGB geführt hätte, wird jedoch vom Antragsteller selbst nicht einmal behauptet.
bb) Vielmehr behauptet der Antragsteller, dass aufgrund der erheblichen Alkoholisierung kein Vorsatz gegeben sei.
(1) Im Rahmen von § 81 VVG ist bedingter Vorsatz ausreichend, wobei sich dieser – anders als z.B. im Rahmen von § 823 Abs. 1 BGB – nicht nur auf die haftungsbegründende Verletzungshandlung beziehen, sondern auch die Schadensfolgen umfassen muss (st. Rspr., vgl. z.B. BGH VersR 1983, 477; ferner Senat VersR 2006, 781). Für § 103 VVG gilt Entsprechendes (Prölss/Martin/Lücke, VVG, 30. Aufl. 2018, § 103 Rn 5).
Erforderlich ist also auch, dass der VN die Schadensfolgen in ihrem wesentlichen Umfang als möglich erkannt und billigend in Kauf genommen hat (…). Dabei führt aber nicht jede kleine Abweichung zwischen Vorstellungsbild und tatsächlichem Geschehen zu einer Unanwendbarkeit von § 103 VVG; vielmehr sind auch hier unwesentliche Abweichungen vom vorgestellten Kausalverlauf unschädlich (vgl. z.B. Senat VersR 1981, 789; ferner OLG Düsseldorf VersR 2000, 447).
(2) Beweisbelastet für den Vorsatz des VN ist der VR, und zwar auch dann, wenn eine nicht zur Schuldunfähigkeit führende starke Alkoholisierung des VN im Raume steht (BGH VersR 1998, 1011; vgl. auch BGH VersR 2003, 1561; OLG Düsseldorf VersR 2006, 402). Bislang hat die mithin beweisbelastete Bekl. eine vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls nicht einmal konkret behauptet, da sie überhaupt nicht zu dem Prozesskostenhilfegesuch des Antragstellers Stellung genommen hat.
(3) Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe kann auch nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, eine gedachte Beweiserhebung werde bei summarischer Prüfung mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen (vgl. dazu Zöller/Geimer, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 114 Rn 19).
Zwar kann aus der Intensität und Heftigkeit eines Angriffs indiziell auf den Vorsatz der Herbeiführung einer Körperverletzung (einschließlich der Verletzungsfolgen) geschlossen werden (vgl. z.B. Senat VersR 2006, 781). Bei einem Faustschlag gegen das Opfer spricht zunächst viel für ein vorsätzliches Handeln, denn wer einen gezielten und kraftvollen Schlag in das Gesicht seines Gegners setzt, handelt willentlich und ist sich regelmäßig bewusst, dass er damit in die körperliche Integrität des anderen eingreift und dass er ihn verletzt. (vgl. Senat r+s 2004, 145; vgl. auch OLG Düsseldorf NVersZ 2000, 97). Das Vorliegen von Vorsatz erfordert zudem nicht, dass die genaue Verletzung in allen Einzelheiten vorhergesehen wird; vielmehr kann es ausreichen, wenn der VN ganz allgemein Gesichtsverletzungen billigend in Kauf nimmt (vgl. Senat r+s 2004, 145, Rn 58 und 60).
Dennoch kann ein Indizienschluss auf den Vors...