Der Entscheidung des OLG Stuttgart, die eine gerade im Schadensrecht häufig auftretende Konstellation betrifft, ist zuzustimmen. Das OLG Stuttgart hat sich der Meinung des OLG Hamburg (AGS 2016, 518 = JurBüro 2016, 643) angeschlossen. Diese Auffassung entspricht auch der Kommentarliteratur (Meyer, GKG/FamGKG, 16. Aufl. 2018, Nr. 9002 GKG KV Rn 35: Hartmann, KostG, 48. Aufl. 2018, Nr. 9002 GKG KV Rn 12: gilt auch für Zustellungen an Streitverkündete unabhängig von einem Beitritt; allgemein NK-GK/Volpert, 2. Aufl. 2017, Nr. 9002 GKG KV Rn 21: Rechtszug entspricht dem prozessualen bzw. verfahrensrechtlichen Rechtszug bzw. der prozessualen verfahrensrechtlichen Instanz).
Berechnung von Zustellungsauslagen
Ausgangspunkt der Streitfrage ist die Regelung in Nr. 9002 GKG KV. Nach dieser Vorschrift fällt eine Pauschale für Zustellungen mit Zustellungsurkunde, Einschreiben gegen Rückschein oder durch Justizbedienstete nach § 868 Abs. 1 ZPO i.H.v. 3,50 EUR je Zustellung an. Von dieser Regelung macht S. 1 der Anlage zu Nr. 9002 GKG KV eine Ausnahme. Neben Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten – hiervon ausgenommen ist die Gebühr für ein Urteil im Entschädigungsverfahren nach § 406 StPO –, wird die Zustellungspauschale nur erhoben, soweit in einem Rechtszug mehr als zehn Zustellungen anfallen.
Zur Einführung dieser Ausnahmeregelung heißt es in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 15/5091, S. 36):
Zitat
"Eine Nichterhebung von Auslagen für die ersten zehn Zustellungen kommt nur dann in Betracht, wenn diese neben Gebühren anfallen, die sich nach dem Streitwert richten. Diese Gebühren sind so kalkuliert, dass sie die nicht erhobenen Zustellungsauslagen mit abgelten."
Da die Streitverkündung zum Rechtszug gehört, sind für Zustellungen der Streitverkündungsschrift Zustellungsauslagen nur dann anzusetzen, wenn in diesem Rechtszug (also in der entsprechenden Instanz des Rechtsstreits und im Zusammenhang mit der Streitverkündung) insgesamt mehr als zehn förmliche Zustellungen vorgenommen wurden. Das war hier nicht der Fall.
Zustellungen im Kostenfestsetzungsverfahren
Zu dem Rechtszug i.S.v. S. 1 der Anm. zu Nr. 9002 GKG KV gehört auch das Kostenfestsetzungsverfahren gem. §§ 103 ff. ZPO. Dies hat zur Folge, dass Auslagen für die Zustellung in dem Kostenfestsetzungsverfahren nur dann erhoben werden können, wenn in dem gesamten Rechtszug, bestehend aus der ersten Instanz der Hauptsache und dem Kostenfestsetzungsverfahren, mehr als zehn Zustellungen vorgenommen worden sind (AG Rendsburg JurBüro 1996, 318; AG Itzehoe SchlHA 1996, 260; NK-GK/Volpert a.a.O., Nr. 9002 GKG KV Rn 21; Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG/FamGKG/JVEG, 4. Aufl. 2019, Nr. 9002 GKG KV Rn 2; Zöller/Herget, ZPO, 32. Auflage, § 104 Rn 7; Meyer, a.a.O., Nr. 9002 GKG KV Rn 42 unter Aufgabe der früher bis zur 14. Aufl. vertretenen Ansicht; a.A. LG Kiel SchlHA 1996, 259; AG Kiel JurBüro 1996, 261).
Zustellungen im Vergütungsfestsetzungsverfahren
Anders ist die Rechtslage im Vergütungsfestsetzungsverfahren gem. § 11 RVG. Bei diesem Verfahren handelt es sich um ein eigenständiges, vom Hauptsacheverfahren und auch vom Kostenfestsetzungsverfahren gem. §§ 103 ff. ZPO völlig unabhängiges Verfahren. Das Vergütungsfestsetzungsverfahren gem. § 11 RVG ist von diesen beiden vorgenannten Verfahren völlig getrennt zu betrachten. Es betrifft nämlich – anders als das Hauptsacheverfahren und das dem nachfolgende Kostenfestsetzungsverfahren – nicht das Verhältnis zwischen den Prozessparteien untereinander, sondern das Verhältnis des Rechtsanwalts zu seinem Auftraggeber.
Im Übrigen ist auch die zweite Voraussetzung der Ausnahmeregelung in S. 1 der Anm. zu Nr. 9002 GKG KV nicht erfüllt. In dem Vergütungsfestsetzungsverfahren gem. § 11 RVG fällt nämlich keine sich nach dem Streitwert errechnende Gerichtsgebühr an. Vielmehr ist das Verfahren vor dem Gericht des ersten Rechtszugs gem. § 11 Abs. 2 S. 4 RVG gebührenfrei.
Dies hat zur Folge, dass in Vergütungsfestsetzungsverfahren Zustellungsauslagen ab der ersten förmlichen Zustellung zu erheben sind (OLG Köln AGS 2000, 208; LG Bonn AGS 2000, 210; LG Köln AGS 2000, 209; LG Lübeck AGS 2014, 558 = JurBüro 2015, 83; AG Berlin-Pankow-Weißensee JurBüro 1998, 31, AG Berlin-Charlottenburg JurBüro 1998, 32; NK-GK/Volpert, a.a.O., Nr. 9002 GKG KV Rn 22; Meyer, a.a.O., Nr. 9002 GKG KV Rn 42).
Dies korrespondiert im Übrigen mit der Vorschrift des § 11 Abs. 2 S. 5 RVG, wonach in den Vergütungsfestsetzungsbeschluss die von dem Rechtsanwalt gezahlten Auslagen für Zustellung des Beschlusses aufzunehmen sind.
VorsRiLG a.D. Heinz Hansens
zfs 8/2019, S. 468 - 469