GKG § 66; GKG KV Nr. 9002; ZPO § 72 § 73 S. 2
Leitsatz
Auch Auslagen für Zustellungen an Streitverkündete sind nach GKG KV-Nr. 9002 nur zu erheben, wenn im Rechtszug mehr als zehn Zustellungen anfallen.
OLG Stuttgart, Beschl. v. 16.5.2019 – 8 W 136/19
Sachverhalt
In dem vor dem LG Heilbronn geführten Rechtsstreit hat das Gericht drei Streitverkündungsschriften förmlich mit Postzustellungsurkunde zugestellt. Der Kostenbeamte des LG hat nach Beendigung des Rechtsstreits gegen die Kostenschuldnerin, die Beklagte, unter anderem Zustellungsauslagen nach Nr. 9002 GKG KV i.H.v. 10,50 EUR für die Zustellung dieser Streitverkündungsschriften in Ansatz gebracht. Mit ihrer hiergegen gerichteten Erinnerung hat die Beklagte geltend gemacht, die Zustellungsauslagen seien nicht in Ansatz zu bringen, da im Rechtszug nicht mehr als zehn Zustellungen angefallen seien. Das LG Heilbronn hat der Erinnerung der Beklagten stattgegeben und den Gerichtskostenansatz um die beanstandeten Zustellungsauslagen i.H.v. 10,50 EUR ermäßigt. Die hiergegen von der Vertreterin der Staatskasse eingelegte, vom LG Heilbronn zugelassene, Beschwerde hatte beim OLG Stuttgart keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen:
"… [4] II. Die Beschwerde der Vertreterin der Staatskasse ist gem. § 66 Abs. 2 S. 2 GKG zulässig, hat in der Sache indes keinen Erfolg."
[5] Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das LG den auf GKG-KV Nr. 9002 gestützten Kostenansatz aufgehoben. Ebenso wie das LG schließt sich Senat der im Beschl. v. 21.6.2016 judizierten Auffassung des Hanseatischen OLG Hamburg (AGS 2016, 518 = JurBüro 2016, 643) an, wonach die Auslagen für Zustellungen an Streitverkündete unter die pauschale Abgeltungsregelung des GKG-KV Nr. 9002 fallen (so auch: Althammer, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 72 ZPO Rn 12; a.A. LG Hamburg [dem Beschluss des OLG Hamburg vom 21.6.2016 vorausgehend], Beschl. v. 10.5.2016 – 330 O 416/15). Auf die von dem LG in der angegriffenen Entscheidung im Einzelnen wiedergegebenen Gründe des Beschlusses des OLG Hamburg wird Bezug genommen. Die nach § 73 S. 2 ZPO vorgeschriebene Zustellung der Streitverkündungsschrift an den Streitverkündeten erfolgt in dem Rechtsstreit, für den Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, erhoben werden. Bei den hierfür entstehenden Auslagen handelt sich damit um solche, die für eine nach der Prozessordnung vorgeschriebene Zustellung durch Zustellungsurkunde angefallen sind (vgl. Meyer, Gerichtskosten der streitigen Gerichtsbarkeit und des Familienverfahrens, 11. Aufl., KV Nr. 9002 Rn 35). Auch für den Rechtsanwalt der streitverkündenden Partei gehört die Streitverkündung zum Rechtszug und wird daher durch die in dem Rechtsstreit, in welchem die Streitverkündung vorgenommen wird, anfallenden Gebühren der Nr. 3100 ff. VV RVG abgegolten (Musielak/Voit/Weth, ZPO, 16. Aufl. 2019, § 72 Rn 10; Althammer, a.a.O.; Saenger, ZPO, § 72 Rn 14, beck-online).
[6] Soweit die Vertreterin der Staatskasse unter Hinweis auf Rspr. des BGH (NJW 2011,1078) mit der Beschwerde geltend macht, Kosten der Streitverkündung gehörten nicht zu den Kosten des anhängigen Rechtsstreits und fielen dem Streitverkünder zur Last (so auch Althammer, a.a.O. § 73 Rn 1; MüKoZPO/Schultes, 5. Aufl. 2016, § 72 Rn 21), ergibt sich für die Beschwerdeentscheidung nichts anderes. Zu Recht weist das LG in der Nichtabhilfeentscheidung darauf hin, dass die Frage, ob Auslagen den erstattungsfähigen Kosten des Rechtsstreits im Sinne von § 91 ff. ZPO zuzurechnen sind, zu unterscheiden ist von der Frage, ob Zustellungsauslagen in die sich am Streitwert orientierenden Gebühren i.S.v. GNotKG KV Nr. 9002 mit einkalkuliert sind und daher nicht extra erhoben werden, wenn im Rechtszug nicht mehr als zehn Zustellungen anfallen. …“
3 Anmerkung:
Der Entscheidung des OLG Stuttgart, die eine gerade im Schadensrecht häufig auftretende Konstellation betrifft, ist zuzustimmen. Das OLG Stuttgart hat sich der Meinung des OLG Hamburg (AGS 2016, 518 = JurBüro 2016, 643) angeschlossen. Diese Auffassung entspricht auch der Kommentarliteratur (Meyer, GKG/FamGKG, 16. Aufl. 2018, Nr. 9002 GKG KV Rn 35: Hartmann, KostG, 48. Aufl. 2018, Nr. 9002 GKG KV Rn 12: gilt auch für Zustellungen an Streitverkündete unabhängig von einem Beitritt; allgemein NK-GK/Volpert, 2. Aufl. 2017, Nr. 9002 GKG KV Rn 21: Rechtszug entspricht dem prozessualen bzw. verfahrensrechtlichen Rechtszug bzw. der prozessualen verfahrensrechtlichen Instanz).
Berechnung von Zustellungsauslagen
Ausgangspunkt der Streitfrage ist die Regelung in Nr. 9002 GKG KV. Nach dieser Vorschrift fällt eine Pauschale für Zustellungen mit Zustellungsurkunde, Einschreiben gegen Rückschein oder durch Justizbedienstete nach § 868 Abs. 1 ZPO i.H.v. 3,50 EUR je Zustellung an. Von dieser Regelung macht S. 1 der Anlage zu Nr. 9002 GKG KV eine Ausnahme. Neben Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten – hiervon ausgenommen ist die Gebühr für ein Urteil im Entschädigungsverfahren nach § 406 StPO –, wird die Zustellungspauschale nur erhoben, soweit in einem Rechtszug mehr als zehn Zustellungen anfalle...