NSOG § 32; VwGO § 123 § 80 Abs. 7 S. 1 und 2; VwVfG § 23; GG Art. 74 72 Abs. 1 70
Leitsatz
§ 32 Abs. 7 NPOG stellt eine taugliche Rechtsgrundlage für die Geschwindigkeitsüberwachung durch Abschnittskontrolle dar.
NdsOVG, Beschl. v. 3.7.2019 – 12 MC 93/19
Sachverhalt
Mit Beschl. v. 12.3.2019 (- 7 B 850/19 –, juris) hat das VG Hannover der damaligen Antragsgegnerin und nunmehrigen Antragstellerin nach § 123 VwGO vorläufig untersagt, zwischen den Anschlussstellen D. und E. auf der B 6 in B-Stadt mittels sog. "Section Control" das amtliche Kennzeichen eines jeden vom damaligen Antragsteller und jetzigen Antragsgegner geführten Fahrzeugs zu erfassen und zu verarbeiten. Ausschlaggebend dafür war die Annahme, dass die genannten Maßnahmen einen Eingriff in das Grundrecht des Antragsgegners auf informationelle Selbstbestimmung darstellen, für den es (damals) an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage mangelte. Die gegen diesen Beschl. gerichtete Beschwerde hat der Senat durch Beschl. v. 10.5.2019 zurückgewiesen (- 12 ME 68/19 –, juris). Parallel zu seinem Beschl. hatte das VG Hannover durch Urt. v. 12.3.2019 (- 7 A 849/19, zfs 2019, 300, Leits.) der Unterlassungsklage des Kl. stattgeben. Die Antragstellerin hat dagegen die vom VG zugelassene Berufung eingelegt, die beim Senat unter dem Aktenzeichen 12 LC 79/19 weiter anhängig ist.
Mit ihrem am 29.5.2019 beim Senat eingegangenen Änderungsantrag beruft sich die Antragstellerin auf eine sie begünstigende nachträgliche Änderung der Rechtslage. Denn am 24.5.2019 sei § 32 Abs. 7 NPOG in Kraft getreten. Er enthalte die vom VG für erforderlich erachtete spezielle gesetzliche Ermächtigungsgrundlage.
Der Antragsgegner tritt dem Änderungsverlangen entgegen. Er hält § 32 Abs. 7 NPOG für verfassungswidrig.
2 Aus den Gründen:
"… II. Der Änderungsantrag der Antragstellerin hat Erfolg."
Auch wenn in die Verweisung des § 123 Abs. 3 VwGO der § 927 ZPO nicht eingeschlossen ist, der im Zivilprozess “die Aufhebung des Arrestes wegen veränderter Umstände‘ regelt, ist in der obergerichtlichen Rspr. anerkannt, dass eine solche Änderung auch bezogen auf eine (erlassene) einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO möglich ist (vgl. auch § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG: “Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO‘), und zwar vorzugsweise in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 7 VwGO (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 30.5.2018 – 8 ME 3/18 –, juris, Rn 59, und v. 24.4.2013 – 4 MC 56/13 –, juris, Rn 5; Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl., § 123, Rn 77; Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl., § 123, Rn 35 (Fn 110), jeweils m.w.N.).
Der Senat ist nach § 80 Abs. 7 S. 1 VwGO analog als Gericht der Hauptsache zur Entscheidung über den Änderungsantrag berufen. Der Antragstellerin steht nach § 80 Abs. 7 S. 2 VwGO analog auch ein Anspruch auf eine erneute inhaltliche Überprüfung des vorhergehenden Beschlusses des VG zu. Denn bei dem Erlass und Inkrafttreten des § 32 Abs. 7 NPOG (selbst) nach der Entscheidung durch den Senat handelt es sich um “veränderte Umstände‘, die im Hinblick auf den im Hauptsacheverfahren für die Entscheidung über die Unterlassungsklage maßgeblichen Zeitpunkt der Senatsentscheidung auch erheblich sind. Ist demnach analog § 80 Abs. 7 S. 2 VwGO eine erneute Sachentscheidung über den Antrag nach § 123 VwGO angezeigt, so bezieht sich diese allein auf die Fortdauer der im vorausgehenden Verfahren getroffenen einstweiligen Anordnung, nicht aber auf deren davon unberührt bleibende ursprüngliche Richtigkeit.
Da aus den folgenden Gründen der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO erforderliche Anordnungsanspruch (vgl. Senatsbeschl. v. 7.9.2017 – 12 ME 249/16 –, juris, Rn 89) nicht mehr gegeben ist, ist dem Änderungsantrag der Antragstellerin zu entsprechen.
Das VG hat den Anordnungsanspruch mit der Begründung bejaht, der Antragsgegner könne von der Antragstellerin verlangen, die Abschnittskontrolle auf der in Rede stehenden Strecke zu unterlassen. Denn diese Kontrolle greife in sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein, ohne dass dies von einer erforderlichen Ermächtigungsgrundlage abgedeckt wäre.
Die – zumindest hilfsweise von der Antragstellerin in diesem Verfahren erneut in Zweifel gezogene (ebenso Müller, NZV 2019, 279, 282 f.; dem VG hingegen zustimmend etwa: Rachut/Girbinger, jurisPR-ITR 10/2019 Anm. 3) – Richtigkeit der erstgenannten Annahme ist in diesem Änderungsverfahren nicht zu hinterfragen. Zwar steht dem nicht die nur für das Beschwerdeverfahren geltende Beschränkung auf die fristgerecht dargelegten Gründe nach § 146 Abs. 4 VwGO entgegen. Ob dafür aber die Begrenzung in § 80 Abs. 7 S. 2 VwGO insoweit eingreift, weil bezogen auf die Annahme eines Grundrechtseingriffs keine veränderten Umstände vorliegen, muss nicht geklärt werden.
Denn jedenfalls liegt nunmehr mit § 32 Abs. 7 NPOG eine den Eingriff legimitierende und damit den Unterlassungsanspruch des Antragsgegners ausschließende gesetzliche Eingriffsermächtigung vor.
Die vom Antragsgegner erhobenen Einwände gegen die Verfassungskonformitä...