VVG § 186
Leitsatz
Bei einer Versicherung für fremde Rechnung obliegt es dem Unfallversicherer grds. nicht, die versicherte Person neben oder an Stelle des VN entsprechend § 186 S. 1 VVG zu informieren. Das gilt auch im Falle der Anzeige des Versicherungsfalles durch den Versicherten.
BGH, Urt. v. 22.5.2019 – IV ZR 73/18
Sachverhalt
Die Kl. nimmt die Bekl. aus einer Unfallversicherung in Anspruch, die sie als versicherte Person ausweist und die von ihrem im Herbst des Jahres 2013 verstorbenen Ehemann genommen worden war. Dem Vertrag lagen den AUB 2000 entsprechende AVB zugrunde.
Am frühen Morgen des 1.3.2013 stürzte die Kl. aus einem Fenster im zweiten Obergeschoss des seinerzeit von ihr und ihrem Ehemann bewohnten Anwesens und erlitt schwere Verletzungen. Auf die "Schadenmeldung" vom 5.3.2013 übersandte die Bekl. dem Ehemann der Kl. ein Schreiben vom 8.3.2013, in welchem unter anderem auf die Frist von 15 Monaten für die ärztliche Feststellung der Invalidität hingewiesen wurde. Mit Schreiben vom 24.4.2013 verneinte die Bekl. ihre Leistungspflicht gegenüber dem Ehemann der Kl. mit der Begründung, dass es sich bei dem Vorfall vom 1.3.2013 um einen Suizidversuch gehandelt habe. Sie wiederholte ihre Leistungsablehnung im November 2016 nach einer anwaltlichen Zahlungsaufforderung der Kl., die inzwischen selbst als VN geführt wurde.
2 Aus den Gründen:
"… Das BG hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Kl. zwar zur gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs berechtigt ist, es aber an einer fristgerechten ärztlichen Feststellung der Invalidität fehlt und die Bekl. sich auf diese Fristversäumnis berufen kann."
a) Bei der vom BG festgestellten Versicherung für fremde Rechnung ist die versicherte Person nach Ziff. 12.1 AUB 2000 allerdings grds. nicht zur Geltendmachung ihrer Rechte befugt (vgl. Senat VersR 2000, 753 unter 2 a). Dies ist vielmehr Sache des VN. Im Einzelfall kann der versicherten Person eine Rechtsverfolgung aber möglich sein, etwa wenn sich der VR – wie es das BG hier angenommen hat – auf das Begehren eingelassen hat (vgl. hierzu Senat VersR 2017, 1330 Rn 21 f.; 1978, 409 unter I). Zudem hat die Kl. nach dem unstreitigen Parteivorbringen mittlerweile selbst die Stellung als VN erlangt.
b) Ansprüche auf Zahlung einer Invaliditätsleistung und Unfallrente stehen der Kl. aber bereits deshalb nicht zu, weil es an einer fristgerechten ärztlichen Feststellung der Invalidität gem. Ziff. 2.1.1.1 und 2.2.1.1 AUB 2000 fehlt.
aa) Bei der fristgerechten ärztlichen Feststellung der Invalidität handelt es sich um eine Anspruchsvoraussetzung (Senat BGHZ 165, 167, 169 m.w.N.). Die Leistungsablehnung der Bekl. vom 24.4.2013 ändert nichts daran, dass der Anspruch nicht entsteht, wenn Invalidität nicht fristgerecht ärztlich festgestellt wird (vgl. Senat a.a.O. m.w.N.).
Von diesen Grundsätzen ist das BG ausgegangen. Gegen seine tatrichterliche Würdigung, frühestens mit dem nach Fristablauf erstellten Attest vom 6.11.2017 sei eine den Anforderungen von Ziff. 2.1.1.1 und 2.2.1.1 AUB 2000 genügende ärztliche Feststellung der Invalidität (vgl. hierzu Senat r+s 2015, 250 Rn 20 f. m.w.N.) erfolgt, wendet sich die Revision zu Recht nicht.
bb) Nach den Feststellungen des BG ist dem Ehemann der Kl. als damaligem VN mit Schreiben vom 8.3.2013 der gebotene Hinweis i.S.v. § 186 S. 1 VVG erteilt worden. Damit wurde den gesetzlichen Anforderungen genügt. Eines an die Kl. gerichteten Hinweises bedurfte es nicht.
Insoweit kann es dahinstehen, ob sich die Kl. nicht auch die Belehrung gegenüber ihrem verstorbenen Ehemann zurechnen lassen müsste, nachdem sie unstreitig als Rechtsnachfolgerin in seine Stellung als VN eingerückt ist, Feststellungen zu Grund und Zeitpunkt des Rechtsübergangs vom BG aber nicht getroffen worden sind. Auch unabhängig hiervon war ein inhaltsgleicher Hinweis an die Kl. nicht erforderlich.
(1) Allerdings ist umstritten, ob es dem VR bei einer Unfallversicherung für fremde Rechnung obliegt, über den Wortlaut des § 186 S. 1 VVG hinaus (auch) die versicherte Person selbst – hier mithin die Kl. – entsprechend zu unterrichten.
Während die Rspr. und ein Teil des Schrifttums einen entsprechenden Hinweis für nicht notwendig erachten (so außer dem BG – zumindest im Grundsatz – OLG Naumburg BeckRS 2018, 25773 Rn 60; OLG Oldenburg VersR 2018, 405, 406 [juris Rn 17]; OLG Saarbrücken r+s 2017, 432 Rn 58 ff.; Rixecker in Langheid/Rixecker, VVG, 6. Aufl., § 186 Rn 4; Kloth/Piontek r+s 2017, 561, 562) und anderes nur für den Fall erwägen, dass der VN seine Verfügungsbefugnis zu Gunsten der versicherten Person ersichtlich aufgegeben hat (vgl. hierzu Leverenz in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl., § 186 Rn 20; ähnlich Naumann/Brinkmann, Die private Unfallversicherung, 2. Aufl., § 10 Rn 18; siehe auch OLG Saarbrücken a.a.O. Rn 64; Rixecker a.a.O.), geht ein anderer Teil der Literatur von einem Redaktionsversehen des Gesetzgebers aus und ist der Auffassung, dass die versicherte Person entweder stets (so Grimm, Unfallversicherung, 5. Aufl., Ziff. 2 AUB 2010 Rn 16; PK-VersR/Brömmelmeyer, 3. Aufl....