Der Anspruch auf eine taggenaue Bemessung des Schmerzensgeldes (taggenaues Schmerzensgeld/tagessatzbasiertes Schmerzensgeld/Schmerzensgeld pro Tag) ergibt sich unmittelbar aus § 253 Abs. 2 BGB und konkretisiert zugleich das Gebot der menschenwürdigen Behandlung (Art. 1 GG, Art. 1 Charta der Grundrechte der EU), der Gleichheit (Art. 3 GG, Art. 20 Charta der Grundrechte der EU) sowie das verfassungsrechtliche Gebot der Normenbestimmtheit und Normenklarheit (BVerfG v. 26.7.2005 – 1 BvR 80/95, NJW 2005, 2376, 2377). Der Große Senat hat im Jahr 1955 das bis heute bindende Konzept der Bemessung des immateriellen Schadens, welcher das Schmerzensgeld rechtfertigt, entwickelt. Das Schmerzensgeld ist nach Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen und Leiden und damit nach dem Grad der Lebensbeeinträchtigung für alle gleichartig betroffenen Personen in gleicher und bestimmter Weise zu ermitteln. Die Lebensbeeinträchtigung steht im Verhältnis zu den anderen zu berücksichtigenden Umständen immer an der Spitze (BGHZ 18, 149, Rn 42).

1. Entlastung der Gerichte

Zarges hat in seiner Anmerkung zu dem Urteil des OLG Frankfurt[12] zutreffend formuliert, dass für den Fall, dass sich das System der taggenauen Berechnung des Schmerzensgeldes nach der Methode von Schwintowski/Schah Sedi/Schah Sedi durchsetzen wird, eine Vielzahl von Prozessen zum Schmerzensgeld vermieden wird und die Gerichte dadurch entlastet werden. Dem kann nur zugestimmt werden. Ähnlich den Tabellen im Nutzungsausfall von Sanden/Danner/Küppersbusch gibt es dann einen ganz konkreten Tagessatz, der je nach Anzahl der betroffenen Tage lediglich zu addieren ist. Es wird keine zukünftigen Streitigkeiten mehr geben, welches Schmerzensgeld angemessen ist, weil der Tagessatz aufgrund des feststehenden GdS-Wertes ebenfalls feststeht. Berücksichtigt man, dass aktuell gerade im Arzthaftungsrecht teilweise drei Jahre seit Einreichung der Klage auf eine mündliche Verhandlung gewartet wird, weil die Gerichte hoffnungslos bei Schadensersatzklagen und insbesondere bei Schmerzensgeldklagen überlastet sind, so ist durch die Methode der taggenauen Berechnung nach Schwintowski/Schah Sedi/Schah Sedi eine deutliche Entlastung der Gerichte möglich. Alle Beteiligten, sowohl die Anwälte, die Richter als auch die Geschädigten können dies nur begrüßen.

[12] Zarges, Anm. zu OLG Frankfurt, Urt. v. 22.10.2018, zfs 2019, 90.

2. Höhere Schmerzensgelder

Durch die taggenaue Berechnung des Schmerzensgeldes erhalten Schwerstgeschädigte höhere Schmerzensgelder. Dies ist auch gut so. Auf der anderen Seite gibt es ein Korrektiv, da die Anwendung der taggenauen Berechnung des Schmerzensgeldes bei sogenannten Bagatellverletzungen zur Reduzierung des Schmerzensgeldes führt. Auch dieses ist gut so, weil derjenige, der vielleicht ein oder zwei Wochen leichte Beschwerden hat, viel eher auf ein großzügiges Schmerzensgeld verzichten kann, als derjenige, der einen Dauerschaden hat und täglich unter erheblichen Schmerzen leidet. Die aktuellen Tagessätze von 3 EUR, 4 EUR, 5 EUR für den Geschädigten als Schmerzensgeld sind viel zu wenig. Deshalb ist es notwendig wie dies das LG Aurich begonnen hat, die Schmerzensgelder anzuheben, damit den Betroffenen die erhebliche Dauerschäden und täglich massive Schmerzen haben, einen gewissen Ausgleich erfahren.

3. Versichertengemeinschaft nicht übermäßig belastet

Im Rahmen der Erhöhung des Schmerzensgeldes kommt immer wieder die Diskussion auf, ob die Versichertengemeinschaft sich dies leisten könne, da höhere Schmerzensgelder zu einer Prämienerhöhung führen. Es wird zu einer Mehrbelastung von vielleicht 1–2 EUR pro Monat kommen. Das System überfordert weder die Versicherungsgesellschaften noch die Versichertengemeinschaft, die es im Sinne einer rechtlich verfassten Gemeinschaft deliktsrechtlich gar nicht gibt. Die Art der Tarifgestaltung obliegt allein den Versicherern. Berücksichtigt man ferner, dass der Geschädigte lediglich zu einem Drittel eines Schadensfalls aktivlegitimiert ist und dagegen zwei Drittel des Schadensvolumens die Regressansprüche der SVT betreffen, so verliert das Argument der Überforderung der Versichertengemeinschaft alleinig bezogen auf das Schmerzensgeld immer mehr an Bedeutung.

Sieht man ferner das Chaos, welches bei den KH-Prämien zurzeit herrscht, so hat das Argument der Belastung der Versichertengemeinschaft noch weniger Bedeutung. Aktuell ist es nämlich so, dass die vier großen Versicherer sich einen aberwitzigen Preiskrieg mit einem Bonus- und Malussystem liefern, der dazu führt, dass niemand die Argumente nachvollziehen kann, warum eine Prämie nach oben oder nach unten gestaltet wurde. Aktuell gibt es Faktoren wie: den Beruf des Versicherungsnehmers, die Frage, ob der Versicherungsnehmer Eigentümer oder nur Mieter einer Wohnung ist, ob ich Besitzer einer BahnCard bin oder Mitglied in einem bestimmten Automobilclub, ob ich Beamter bin oder Mitarbeiter einer gemeinnützigen Organisation. Warum diese Kriterien einen Bonus oder einen Malus rechtfertigen, bleibt teilweise nicht nachvollziehbar. Es sollte selbstverständlich sein, dass Schwerstverletzte höhe...

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