BGB § 826 § 923 Abs. 2, 31, 249; EG FGV § 6 Abs. 1 § 27
Leitsatz
1. Es steht wertungsmäßig einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Fahrzeugkäufer gleich, wenn ein Fahrzeughersteller im Rahmen einer von ihm bei der Motorenentwicklung getroffenen strategischen Entscheidung, die Typgenehmigungen der Fahrzeuge durch arglistige Täuschung des Kraftfahrt-Bundesamts zu erschleichen und die derart bemakelten Fahrzeuge alsdann in Verkehr zu bringen, die Arglosigkeit und das Vertrauen der Fahrzeugkäufer gezielt ausnutzt.
2. Bestehen hinreichende Anhaltspunkte für die Kenntnis zumindest eines vormaligen Mitglieds des Vorstands von der getroffenen strategischen Entscheidung, trägt der beklagte Hersteller die sekundäre Darlegungslast für die Behauptung, eine solche Kenntnis habe nicht vorgelegen. Darauf, ob die vormaligen Mitglieder des Vorstands von dem Kläger als Zeugen benannt werden könnten, kommt es nicht an.
3. Wird jemand durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrags gebracht, den er sonst nicht geschlossen hätte, kann er auch bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung dadurch einen Vermögensschaden erleiden, dass die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist. Die Bejahung eines Vermögensschadens unter diesem Aspekt setzt allerdings voraus, dass die durch den unerwünschten Vertrag erlangte Leistung nicht nur aus rein subjektiv willkürlicher Sicht als Schaden angesehen wird, sondern dass auch die Verkehrsanschauung bei Berücksichtigung der obwaltenden Umstände den Vertragsschluss als unvernünftig, den konkreten Vermögensinteressen nicht angemessen und damit als nachteilig ansieht.
4. Die Grundsätze der Vorteilsausgleichung gelten auch für einen Anspruch aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gem. § 826 BGB.
BGH, Urt. v. 25.5.2020 – VI ZR 252/19
Sachverhalt
Der Kl. erwarb am 10.1.2014 zu einem Preis von 31,490 EUR brutto von einem Autohändler einen Gebrauchtwagen VW Sharan 2.0 TDI match, der mit einem 2,0-Liter Dieselmotor des Typs EA189, Schadstoffnorm Euro 5 ausgestattet ist. Die Bekl. ist die Herstellerin des Wagens. Das am 12.7.2012 erstmals zugelassene Fahrzeug wies beim Erwerb einen Kilometerstand von 20.000 km auf. Für den Fahrzeugtyp wurde die Typgenehmigung nach der VO (EG) Nr. 715/2007 mit der Schadstoffklasse Euro 5 erteilt. Die im Zusammenhang mit dem Motor verwendete Software erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wird und schaltet in diesem Fall in den Abgasrückführungsmodus 1, einen Stickoxid (NOx)-optimierten Modus. In diesem Modus findet eine Abgasrückführung mit niedrigem Stickoxidausstoß statt. Im normalen Fahrbetrieb außerhalb des Prüfstands schaltet der Motor dagegen in den Abgasrückführungsmodus 0, bei dem die Abgasrückführungsrate geringer und der Stickoxidausstoß höher ist. Für die Erteilung der Typgenehmigung der Emissionsklasse Euro 5 maßgeblich war der Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand. Die Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm wurden nur im Abgasrückführungsmodus 1 eingehalten.
Im September 2015 räumte die Bekl. öffentlich die Verwendung einer entsprechenden Software ein. Unter dem 15.10.2015 erging gegen sie ein bestandskräftiger Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) mit nachträglichen Nebenbestimmungen zur Typgenehmigung, der auch das Fahrzeug des Kl. betrifft. Das KBA ging vom Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung aus und gab der Bekl. auf, diese zu beseitigen und die Einhaltung der maßgeblichen Grenzwerte anderweitig zu gewährleisten. Die Bekl. gab mit Pressemitteilung vom 25.11.2015 bekannt, Software-Updates durchzuführen, mit denen diese Software aus allen Fahrzeugen mit Motoren des Typs EA189 mit 2,0-Liter-Hubraum entfernt werden sollte. Der Kl. ließ das Software-Update im Februar 2017 durchführen.
Mit Schreiben vom 15.9.2017 forderte der Kl. die Bekl. erfolglos zur Erstattung des Kaufpreises unter Fristsetzung bis zum 1.10.2017 auf und bot Zug um Zug die Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs an. Mit seiner Klage verlangte er die Zahlung von 31.490 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2.10.2017 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs, die Feststellung, dass sich die Bekl. im Annahmeverzug befindet, und die Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 1.680,28 EUR nebst Zinsen in vorgenannter Höhe seit Rechtshängigkeit.
Das LG Bad Kreuznach (Urt. v. 5.10.2018 – 2 O 250/17) hat die am 23.11.2017 rechtshängig gewordene Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Kl. hat das OLG Koblenz (NJW 2019, 2237) die Entscheidung des LG abgeändert und die Bekl. verurteilt, an den Kl. 25.616,10 EUR nebst Zinsen in vorgenannter Höhe seit dem 2.10.2017 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs zu zahlen. Ferner hat es die begehrte Feststellung ausgesprochen und die Bekl. zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 1.474,89 EUR nebst Zinsen seit dem 24.11.2017 verurteilt. Wegen des weitergehenden Zahlungsanspruchs h...