RVG § 11 Abs. 5
Leitsatz
1. Im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG ist über die Begründetheit eines außergebührenrechtlichen Einwandes des Antragsgegners nicht in der Sache zu entscheiden. Deshalb kann grundsätzlich weder eine nähere Substantiierung des Einwandes verlangt werden noch hat der mit dem Vergütungsfestsetzungsverfahren befasste Rechtspfleger/Urkundsbeamte der Geschäftsstelle eine materiell-rechtliche Schlüssigkeitsprüfung vorzunehmen.
2. Ist umstritten, ob der dem Rechtsanwalt erteilte Auftrag auch die Angelegenheit erfasst, für die die Vergütung begehrt wird, ist die Vergütungsfestsetzung gem. § 11 Abs. 5 RVG abzulehnen.
3. Dies gilt auch dann, wenn sich der Rechtsanwalt auf die ihm erteilte Prozessvollmacht beruft.
LAG Köln. Beschl. v. 5.5.2021 – 11 Ta 38/21
Sachverhalt
Die den Vergütungsfestsetzungsantrag nach § 11 RVG stellende Rechtsanwältin hatte für den Kläger vor dem ArbG Aachen eine Klage über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses eingereicht. Während dieses Rechtsstreits hat die Anwältin für den Kläger einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Fortzahlung der vollen monatlichen Bruttovergütung für den Zeitraum nach Ablauf der Kündigungsfrist gestellt. Wie dieses Verfügungsverfahren ausgegangen ist, wird in den Beschlussgründen nicht mitgeteilt. Jedenfalls hat die Anwältin nach Beendigung des Verfügungsverfahrens gegen den Kläger einen Antrag auf Festsetzung der Vergütung gem. § 11 Abs. 1 RVG gestellt. Der hierzu gehörte Kläger hat unter Darlegung einzelner Tatsachen bestritten, der Rechtsanwältin einen telefonischen Auftrag zur Einleitung des einstweiligen Verfügungsverfahrens gestellt zu haben. Vielmehr sei der Auftrag auf Erhalt der verzögerten Arbeitsbescheinigung gerichtet gewesen, damit die Bundesagentur für Arbeit zügig Arbeitslosengeld bewillige. Die Rechtsanwältin hat demgegenüber geltend gemacht, der Kläger habe jedenfalls durch sein späteres Verhalten den Auftrag nachträglich, zumindest in Höhe des von dessen Rechtsschutzversicherung später ausgekehrten Betrages genehmigt oder anerkannt. Außerdem hat die Anwältin auf die ihr vom Kläger erteilte Prozessvollmacht verwiesen.
Die Rechtspflegerin des ArbG Aachen hat die Vergütungsfestsetzung gem. § 11 Abs. 5 RVG abgelehnt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Anwältin hatte keinen Erfolg. Das LAG Köln hat die sofortige Beschwerde der Anwältin unter Hinweis auf § 97 ZPO kostenpflichtig zurückgewiesen.
Aus den Gründen
Aus den Gründen:
"1. Die gemäß den §§ 11 Abs. 2 RVG, 104 Abs. 3 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet."
2. Nach § 11 Abs. 5 RVG muss die Rechtspflegerin die Festsetzung der Vergütung ablehnen, soweit der Antragsgegner Einwendungen oder Einreden erhebt, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund haben. Hierzu zählt etwa das Bestreiten der Erteilung eines Auftrags sowie des Inhalts oder des Umfangs des Auftrags (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, 24. Aufl. 2019, RVG § 11 Rn 134 f. m.w.N.).
3. Über die Begründetheit eines solchen Einwandes ist nicht im Vergütungsfestsetzungsverfahren zu entscheiden. Deshalb kann grundsätzlich weder eine nähere Substantiierung des Einwandes verlangt werden, noch hat die Rechtspflegerin eine materiell-rechtliche Schlüssigkeitsprüfung vorzunehmen. Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn der Einwand offensichtlich unbegründet ist, das heißt wenn seine Haltlosigkeit ohne nähere Sachprüfung auf der Hand liegt, substanzlos ist oder erkennbar rechtsmissbräuchlich eingesetzt wird (BVerfG, Kammerbeschluss vom 25.4.2016 – 1 BvR 1255/14 – m.w.N.). Die Kostenfestsetzung hat mithin selbst dann zu unterbleiben, wenn die Erfolgsaussichten in materieller Hinsicht als äußerst gering einzustufen sind (LAG Köln, Beschl. v. 18.2.2014 – 4 Ta 10/14 – m.w.N.).
4. Der Antragsgegner bestreitet im vorliegenden Fall – unter Darlegung einzelner Tatsachen – das Erteilen eines telefonischen Auftrags zur Erhebung einer materiell-rechtlich wenig aussichtsreichen einstweiligen Verfügung auf Fortzahlung der vollen monatlichen Bruttovergütung während des Laufes eines Rechtsstreits über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses für den Zeitraum nach Ablauf der Kündigungsfrist. Nach seiner Darlegung sei der Auftrag auf Erhalt der verzögerten Arbeitsbescheinigung gerichtet gewesen, damit die Bundesagentur für Arbeit zügig Arbeitslosengeld bewillige. Welcher inhaltliche Auftrag tatsächlich am 28.5.2020 telefonisch erteilt wurde, ob der Antragsgegner durch sein späteres Verhalten den Auftrag nachträglich, zumindest in Höhe des von der Rechtsschutzversicherung am 9.11.2020 ausgekehrten Betrags von 2.158,40 EUR, genehmigt oder anerkannt hat, bedarf einer materiell-rechtlichen Sachprüfung (ggfs. mit Beweisaufnahme) und ist daher im Kostenfestsetzungsverfahren nicht zu berücksichtigen. Der Verweis auf die unter dem 29.5.2019 erteilte Vollmacht ist unbeachtlich, denn diese ist im Innenverhältnis einschränkbar (vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, 24. Aufl. 2019, RVG § 11 Rn 137...