RVG § 33 Abs. 1; GKG § 43 Abs. 3

Leitsatz

Sind die Kosten des Rechtsstreits ohne den Hauptanspruch betroffen, ist der Betrag der Kosten maßgebend, soweit er den Wert des Hauptanspruchs nicht übersteigt. In einem solchen Fall ist auf Antrag eines Antragsberechtigten der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit gesondert festzusetzen. (Leitsatz der Schriftleitung)

BGH, Beschl. v. 13.4.2021 – I ZB 38/20

Sachverhalt

Die Klägerin hatte die Beklagte vor dem AG Köln auf Zahlung eines angemessenen Schadensersatzes in Höhe von 1.000 EUR sowie ihrer Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 107,50 EUR als Hauptforderung in Anspruch genommen. Dies hat die Klägerin damit begründet, über den Internetanschluss der Beklagten seien zwei Folgen einer Fernsehserie, für die die Klägerin ausschließliche Nutzungsrechte habe, in einer Tauschbörse öffentlich zum Herunterladen angeboten worden. Die Beklagte hatte in der Klageerwiderung mitgeteilt, sie habe die streitgegenständliche Rechtsverletzung nicht begangen, weil sie ihre Wohnung, in der sich der Internetanschluss befinde, in dem betroffenen Zeitraum über ein Internet-Portal vermietet habe. Von der Mieterin verfüge sie über keine Kontaktdaten. Hieraufhin hat die Klägerin die Klage zurückgenommen. Das AG Köln hat die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben.

Das LG Köln hat die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beklagten zurückgewiesen. Die vom LG zugelassene Rechtsbeschwerde hatte beim BGH Erfolg. Der BGH hat in seinem grundlegenden mit einem amtlichen Leitsatz versehenen Beschluss (NJW 2021, 941 m. Anm. Vossler) die Kostenentscheidung des AG Köln dahin geändert, dass die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz der Klägerin auferlegt werden.

Hieraufhin hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Festsetzung des Gegenstandswertes für das Rechtsbeschwerdeverfahren beantragt.

Aus den Gründen

Aus den Gründen:

[1] “I. Für die Entscheidung über den Antrag nach § 33 Abs. 1 RVG, den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit festzusetzen, wenn sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren – wie hier – nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert berechnen oder es an einem solchen Wert fehlt, ist gemäß § 33 Abs. 8 Satz 1 Halbsatz 1 RVG auch beim Bundesgerichtshof grundsätzlich der Einzelrichter zuständig (vgl. BGH, Beschl. v. 28.5.2020 – I ZB 25/18, juris Rn 5).

[2] II. Auf den Antrag des Verfahrensbevollmächtigten der Beklagten ist der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde auf 308,21 EUR festzusetzen.

[3] 1. Sind die Kosten des Rechtsstreits ohne den Hauptanspruch betroffen, ist nach § 43 Abs. 3 GKG der Betrag der Kosten maßgebend, soweit er den Wert des Hauptanspruchs nicht übersteigt.

[4] 2. Der im Rechtsbeschwerdeverfahren streitige Kostenwert umfasst die außergerichtlichen Kosten der Beklagten und die Hälfte der Gerichtskosten in erster Instanz (§ 92 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Er beträgt 308,21 EUR.

[5] a) Die Parteien haben um die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz nach Rücknahme der Klage vor mündlicher Verhandlung gestritten. Das Amts- und das Beschwerdegericht haben nach § 269 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 ZPO auf Kostenaufhebung erkannt. Die Beklagte hat im Rechtsbeschwerdeverfahren (erfolgreich) geltend gemacht, dass die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz nach § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 ZPO der Klägerin aufzuerlegen sind.

[6] b) Das AG hat den Streitwert für die erste Instanz auf 1.107,50 EUR festgesetzt. Angefallen sind hieraus eine 1,3 Verfahrensgebühr in Höhe von 149,50 EUR (Nr. 3100 VV RVG nach der bis zum 31.12.2020 gültigen Gebührentabelle) und die Pauschale von 20 EUR (Nr. 7002 VV RVG) zuzüglich 19 % Umsatzsteuer von 32,21 EUR (Nr. 7008 VV RVG). Die hälftigen Gerichtskosten belaufen sich nach Nr. 1210 KV GKG (nach der bis zum 31.12.2020 gültigen Gebührentabelle) auf 106,50 EUR; die Ermäßigung nach Nr. 1211 KV GKG ist nicht anwendbar, weil zunächst eine Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 ZPO ergangen ist (vgl. Zimmermann in Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG FamGKG JVEG, 4. Aufl., Nr. 1211 KV GKG Rn 13).

[7] 3. Der Kostenwert von 308,21 EUR übersteigt den Streitwert des früheren Hauptanspruchs von 1.107,50 EUR nicht.

[8] III. Die Entscheidung ergeht gebührenfrei (§ 33 Abs. 9 Satz 1 RVG); Kosten werden nicht erstattet (§ 33 Abs. 9 Satz 2 Halbsatz 1 RVG).“

3 Anmerkung:

Dem Beschluss des BGH lässt sich entnehmen, dass sich für den Rechtsanwalt die Kenntnis von den Wertvorschriften auszahlt. Dem Verfahrensbevollmächtigte der Beklagten war hier offensichtlich bekannt, dass im Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem BGH an Gerichtskosten eine Festbetragsgebühr angefallen war, sodass es an einem für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Streitwert fehlte, der sonst gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG auch für die Berechnung der Anwaltsgebühren maßgebend wäre. Anders war dies übrigens in der ersten Instanz, in der das AG den für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Streitwert auf 1.107,50 EUR festgesetzt hatte, weil sich die dort angefallene gerichtliche Verfahrensgebühr gem. Nr. 121...

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