"… II"
[13] 2. Nach § 20 Abs. 1 S. 1 FeV gelten für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung die Vorschriften für die Ersterteilung. Gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StVG müssen Fahrerlaubnisbewerber zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sein …
[14] 3. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts ist der Umstand, dass bei der Trunkenheitsfahrt des Kl. und der anschließenden Blutentnahme keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen festgestellt wurden, obwohl die Blutprobe eine BAK von 1,3 Promille – und damit einen Zustand, der von den Strafgerichten als absolute Fahruntüchtigkeit bewertet wird – aufgewiesen hatte, eine sonstige Tatsache im Sinne von § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV, die die Annahme von Alkoholmissbrauch begründet. Dieser zur hohen BAK hinzutretende Umstand, der für die Frage bedeutsam ist, ob beim Kl. das erhöhte Risiko einer weiteren Trunkenheitsfahrt und damit eines erneuten Alkoholmissbrauchs besteht, rechtfertigte die an ihn ergangene Aufforderung, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen.
[15] a) Gemäß § 13 S. 1 Nr. 2 FeV ordnet die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis an, dass ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn nach dem ärztlichen Gutachten zwar keine Alkoholabhängigkeit, jedoch Anzeichen für Alkoholmissbrauch vorliegen oder sonst Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen (Buchst. a), wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen wurden (Buchst. b), ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr geführt wurde (Buchst. c), die Fahrerlaubnis aus einem der unter den Buchstaben a bis c genannten Gründen entzogen war (Buchst. d) oder sonst zu klären ist, ob Alkoholmissbrauch oder Alkoholabhängigkeit nicht mehr besteht (Buchst. e).
[16] b) Die Bekl. war berechtigt, vom Kl. auf der Grundlage von § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu fordern. In dem Umstand, dass der Kl. trotz des hohen Blutalkoholpegels bei der Polizeikontrolle und der anschließenden Blutentnahme nahezu keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen gezeigt hatte, durfte die Bekl. eine sonstige Tatsache im Sinne dieser Regelung sehen, die die Annahme von Alkoholmissbrauch begründet (ebenso OVG Magdeburg, Beschl. v. 22.4.2020 – 3 M 30/20 – Blutalkohol 2020, 241 <242>; OVG Greifswald, Beschl. v. 19.3.2019 – 3 M 291/18 – NordÖR 2019, 250 = juris Rn 23 ff.; VGH München, Beschl. v. 11.3.2019 – 11 ZB 19.448 – juris Rn 11 ff.; VGH Mannheim, Urt. v. 7.7.2015 – 10 S 116/15 – Blutalkohol 2015, 71 = juris Rn 44 ff.; OVG Münster, Beschl. v. 21.1.2015 – 16 B 1374/14 – DAR 2015, 606 = juris Rn 4 ff. sowie Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 13 FeV Rn 21).
[17] In der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist geklärt, dass eine Gutachtensanforderung nur dann auf § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV gestützt werden kann, wenn Zusatztatsachen vorliegen, die unter Berücksichtigung der Wertungen des § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. b und c FeV geeignet sind, die Annahme von Alkoholmissbrauch zu begründen. Mit den Tatbeständen des § 13 S. 1 Nr. 2 FeV erfasst der Verordnungsgeber verschiedene Lebenssachverhalte, die die Fahrerlaubnisbehörde je selbstständig zur Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens verpflichten. Diese Tatbestände stehen jedoch nicht beziehungslos nebeneinander. Vielmehr hat der Verordnungsgeber mit ihnen einen Rahmen geschaffen, bei dessen Ausfüllung auch die jeweils anderen Tatbestände und die ihnen zugrundeliegenden Wertungen zu berücksichtigen sind. Das gilt namentlich für die Tatbestände des § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. b und c FeV. Lag die BAK, mit der ein Fahrzeug geführt wurde, unter 1,6 Promille und wurde keine wiederholte Zuwiderhandlung im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen, ist nach diesen Bestimmungen die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nicht ohne Weiteres gerechtfertigt. Diese Grundentscheidung des Verordnungsgebers ist nicht anders als im Rahmen eines Regelbeispielkatalogs bei der Auslegung des Tatbestands von § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV zu beachten. Eine einmalig gebliebene Trunkenheitsfahrt mit einer BAK unter 1,6 Promille genügt ohne zusätzliche aussagekräftige Umstände nicht, um als sonstige Tatsache im Sinne dieses Tatbestands die Annahme von Alkoholmissbrauch zu begründen (BVerwG, Urt. v. 6.4.2017 – 3 C 24.15 – [zfs 2017, 594 =] Buchholz 442.10 § 2 StVG Nr. 24 Rn 16).
[18] Ein zusätzlicher Umstand im Sinne dieser Rechtsprechung, der als sonstige Tatsache im Sinne des § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV gewertet werden darf ("Zusatztatsache"), liegt entgegen dem Berufungsgericht darin, dass der Kl. trotz der bei ihm festgestellten BAK, die nach Rückrechnung auf den Tatzeitpunkt min...