Dem Kl. stehen gegen die Bekl. auf der Grundlage des Versicherungsvertrages in Verbindung mit §§ 1 S. 1, 178 Abs. 1 VVG, § 7 I AUB 97 weder eine Invaliditätsentschädigung noch Krankenhaustagegeld oder sonstige Leistungen zu.

1. Der Kl. hat zunächst keinen Anspruch auf eine Invaliditätsleistung, weder als Einmalbetrag noch als Rentenzahlung.

Es kann offenbleiben, ob der Kl. am 25.9.2018 tatsächlich einen Unfall erlitten hat und ob sich hieraus eine Invalidität ergibt. Es fehlt nämlich an einer wesentlichen vertraglichen Anspruchsvoraussetzung, d.h. an einer ärztlichen Invaliditätsfeststellung. Die vorgerichtlich erbrachten Atteste und Unterlagen genügen den inhaltlichen Anforderungen an eine solche Feststellung nicht. Im Zuge des Rechtsstreites wurde keine weitere Bescheinigung vorgelegt. Selbst wenn sich die Bekl. wegen fehlender Hinweise im Sinne des § 186 VVG nicht auf eine Fristversäumnis berufen könnte, wäre der Mangel einer ärztlichen Invaliditätsfeststellung bis heute nicht geheilt. Im Einzelnen:

a) Die wirksam in den Vertrag einbezogenen Allgemeinen Versicherungsbedingungen – AUB 97 – sehen in § 7 Invaliditätsleistungen vor:

"Die Invalidität muß innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten sowie spätestens vor Ablauf einer Frist von weiteren drei Monaten ärztlich festgestellt und geltend gemacht sein."

Zur den Anforderungen an die ärztliche Invaliditätsfeststellung hat der BGH in seiner Leitentscheidung aus dem Jahr 2007 ausgeführt (BGH, Urt. v. 7.3.2007 – IV (ZR 137/06, juris Rn 11):

"Aus der Invaliditätsfeststellung müssen sich … die ärztlicherseits dafür angenommene Ursache und die Art ihrer Auswirkungen ergeben. Denn die Invaliditätsbescheinigung soll dem VR Gelegenheit geben, dem geltend gemachten Versicherungsfall nachzugehen und seine Leistungspflicht auf Grundlage der ärztlichen Feststellung zu prüfen. Zugleich soll sie eine Ausgrenzung von Spätschäden ermöglichen, die in der Regel nur schwer abklärbar und überschaubar sind und die der VR deshalb von der Deckung ausnehmen will … Deshalb können nur die in der ärztlichen Invaliditätsfeststellung beschriebenen unfallbedingten Dauerschäden Grundlage des Anspruchs auf Invaliditätsentschädigung sein."

Mit einer Entscheidung aus 2015 präzisierte der BGH diese Anforderungen (BGH, Urt. v. 1.4.2015 – IV ZR 104/13, juris):

"Die fristgebundene ärztliche Invaliditätsfeststellung muss die Schädigung sowie den Bereich, auf den sich diese auswirkt, ferner die Ursachen, auf denen der Dauerschaden beruht, so umreißen, dass der VR bei seiner Leistungsprüfung vor der späteren Geltendmachung völlig anderer Gebrechen oder Invaliditätsursachen geschützt wird und stattdessen den medizinischen Bereich erkennen kann, auf den sich die Prüfung seiner Leistungsverpflichtung erstrecken muss."

Zusammengefasst muss sich eine ärztliche Invaliditätsfeststellung eindeutig zum Vorliegen eines Dauerschadens und auch zu einer Kausalität in Bezug auf das konkrete versicherte Ereignis verhalten (Kloth, jurisPR-VersR 11/2021 Anm. 5; s. auch aktuell OLG Frankfurt, Urt. v. 17.11.2021 – 7 U 24/20, juris).

b) Im Lichte dieser vertraglichen Grundlagen und rechtlichen Maßstäbe wie Leitlinien fehlt es vorliegend an einer ärztlichen Feststellung der Invalidität. Aus den vorgelegten Unterlagen ergibt sich insbesondere kein unfallbedingter Dauerschaden.

aa) Dies gilt zunächst für den vom Kl. maßgeblich herangezogenen Entlassungsbrief der H. Klinik vom 30.1.2019. Darin ist von einer Invalidität oder unfallbedingten Dauerschäden weder ausdrücklich noch umschrieben die Rede. Es fehlt somit bereits an einer Feststellung einer Invalidität. Konsequenter Weise mangelt es auch an allen weiteren inhaltlichen Anforderungen, wie etwa an der für eine Invalidität angenommenen Ursache.

Vielmehr werden maßgeblich ein diabetisches Fußsyndrom mit infiziertem Ulkus am DI linksseitig und zahlreiche weitere (Vor) Erkrankungen diagnostiziert, bei denen ein Zusammenhang mit dem behaupteten Unfall nicht hergestellt wird und auch nicht ersichtlich ist. Im Vordergrund steht die Behandlung wegen Diabetes und deren Folgen.

Weiter wird das Unfallgeschehen in diesem Entlassungsbericht nicht einmal erwähnt, auch nicht in der Anamnese oder unter dem Aufnahmebefund. In der Anamnese wird lediglich eine vorangegangene Wundbehandlung bei Ulceration erwähnt. Im Aufnahmebefund ist von folgendem "Wundbefund bei Aufnahme" die Rede: "Offenes diab. Fußsyndrom Dig 1 li." Dies wird am Ende des Berichts unter "Verlauf" bestätigt: "Es präsentierte sich das Bild eines diabetischen Fußsyndroms mit infiziertem Ulkus …"

bb) Auch in dem vom Kl. hilfsweise angeführten Arztbrief des W. Klinikums vom 2.11.2018 liegt keine ärztliche Invaliditätsfeststellung, wovon wohl auch der Kl. selbst ausgeht. Dort ist zwar von einem traumatisch bedingten Ulcus die Rede. Weiter ist aufgenommen, der Patient habe angegeben, ihm wäre eine Europalette auf die linke Großzehe gefallen. Jedoch fehlt es auch hier an der Angabe einer unfallbedingten dauerhaften Beeinträchtig...

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