I. Grundsätze
Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, die Fahrerlaubnis werde gem. § 69 StGB in dem verfahrensabschließenden Urteil entzogen, so kann sie bereits während des noch laufenden Verfahrens gem. § 111a StPO durch Beschluss vorläufig entzogen werden. Die – vorsorgliche – vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 111a StPO soll möglich und angezeigt sein, selbst wenn Zweifel bestehen, ob der Beschuldigte überhaupt im Besitz einer Fahrerlaubnis ist, sofern im Übrigen die Voraussetzungen für die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis vorliegen.
§ 111a StPO und § 69 StGB sind ausweislich des Gesetzeswortlautes einzig auf den Fahrzeugführer zugeschnitten. Der (noch) überwiegende Teil der Rechtsprechung geht ferner davon aus, dass sich auch Mittäter, Gehilfen und Anstifter durch die Anlasstat als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweisen können.
Die rechtlichen Wirkungen der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis treten bereits im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beschlusses an den Beschuldigten ein. Gem. § 111a Abs. 2 StPO ist die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis aufzuheben, wenn ihr Grund weggefallen ist oder wenn das Gericht im Urteil die Fahrerlaubnis nicht entzieht. Das Gericht muss die Aufhebung der vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung von Amts wegen prüfen. Die Verteidigung sollte sich jedoch hierauf nicht verlassen, insbesondere dann nicht, wenn er neue Beweismittel beibringen kann/konnte. Er sollte daher ggf. ausdrücklich die Aufhebung beantragen. Selbiges gilt für eine teilweise Aufhebung durch nachträgliche Beschränkung der vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung auf einzelne Fahrzeugarten wie nachfolgend dargestellt. Zu beachten ist hierbei: Der Aufhebungsantrag wird das Verfahren nicht oder nur kaum verzögern – dies ist i.d.R. im Sinne des Mandanten des Verteidigers. Er wird deshalb auch meist der Beschwerde vorzuziehen sein – gegen diese spricht natürlich auch eine drohende präjudizierende Wirkung eines oft stattfindenden beschwerdeablehnenden Beschlusses der Beschwerdekammer.
Unabhängig von einer sachlichen Prüfung ist der Amtsrichter im Ermittlungsverfahren verpflichtet, einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Aufhebung eines nach § 111a StPO ergangenen Beschlusses nachzukommen. Dies folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 120 Abs. 3 S. 1 StPO, wonach der Ermittlungsrichter – vor Erhebung der Anklage – einen Haftbefehl auf Antrag der Staatsanwaltschaft aufzuheben hat. Wie in jenem Fall ausdrücklich geregelt, gilt auch im Fall der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO im Ermittlungsverfahren die Verfahrensherrschaft der Staatsanwaltschaft. Es macht dementsprechend für die Verteidigung Sinn, eine Beschränkung nach § 111a Abs. 1 S. 2 StPO zunächst mit der Staatsanwaltschaft zu erörtern, um diese "auf seine Seite zu ziehen".
II. "Dringende Gründe"
Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis setzt gem. § 111a StPO voraus, dass "dringende Gründe" für die Annahme vorhanden sind, die Fahrerlaubnis werde (gem. § 69 StGB) entzogen. Erforderlich ist damit für die vorläufige Fahrerlaubnisentziehung nicht nur ein dringender Tatverdacht, sondern auch die hohe Wahrscheinlichkeit einer endgültigen Entziehung mit Sperre:
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Im Rahmen des dringenden Tatverdachts sind also die verwirklichten Straßenverkehrsdelikte zu prüfen. |
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Im Rahmen der Feststellung der hohen Wahrscheinlichkeit einer Fahrerlaubnisentziehung ist § 69 StGB zu prüfen. |
Das bedeutet, dass – ähnlich wie für den Erlass eines Haftbefehls gem. § 112 StPO – nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand eine hohe, fast an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit dafür gegeben sein muss, dass die Maßregel der Fahrerlaubnisentziehung im Urteil angeordnet werden wird. Ein "genügender Anlass" i.S.v. § 170 StPO oder ein "hinreichender Tatverdacht" i.S.v. § 203 StPO reicht für die Anordnung der Maßnahme nicht aus. Auch eine im Raum stehende Verhängung eines Fahrverbotes nach § 44 StGB rechtfertigt nicht den vorläufigen Entzug der Fahrerlaubnis.
Verstreicht seit der Tat viel Zeit, so soll nach teilweise vertretener Ansicht der Beschuldigte darauf "vertrauen" dürfen, dass eine Maßnahme gem. § 111a StPO nicht mehr erfolgen werde und zwar vor allem dann, wenn der Beschuldigte zwischenzeitlich rechtstreu am Verkehr teilgenommen hat. Für die "Eilentscheidung" des § 111a StPO sei dann kein Raum mehr. Da die Rechtsprechung hier keine klare Linie erkennen lässt, muss der Verteidiger ausführlich argumentieren – jedenfalls ...