Das strafrechtliche Fahrverbot ist Nebenstrafe und kann einen bis sechs Monate andauern. Die Bemessung muss nicht in Monaten stattfinden. Auch die Bemessung in Tagen und Wochen ist möglich. Es soll jedoch nach der einhelligen Meinung von Rechtsprechung und Lehre in erster Linie spezialpräventiv auf nachlässige oder leichtsinnige Kraftfahrer einwirken. Es zielt vor allem auf pflichtvergessene Kraftfahrer, die, um zur Beachtung der Verkehrsregeln angehalten zu werden, eines nachdrücklichen Anrufs bedürfen. Das Fahrverbot erfüllt also sowohl eine im Vordergrund stehende Erziehungsfunktion als auch im Einzelfall generalpräventive Ziele.
Hieran hat sich auch durch die Gesetzesänderung im Jahre 2017, durch die die mögliche Fahrverbotsdauer auf sechs Monate verlängert und auch das Fahrverbot für "allgemeine" Kriminalität eröffnet wurde, nichts geändert. Fahrverbot und Entziehung der Fahrerlaubnis schließen demnach einander grundsätzlich aus. Als Nebenstrafe darf das Fahrverbot nur verhängt werden, wenn der mit ihm angestrebte spezialpräventive Zweck mit der Hauptstrafe allein nicht erreicht werden kann. Im Fall einer Geldstrafe als Hauptstrafe ist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu prüfen, ob nicht im Einzelfall eine Erhöhung der Geldstrafe ausreichend ist, um den Täter zu warnen. Zwischen Hauptstrafe (Geldstrafe bzw. Freiheitsstrafe) und Nebenstrafe besteht eine Wechselwirkung: beide gemeinsam betrachtet dürfen die Tatschuld nicht überschreiten. Das tatrichterliche Urteil muss daher erkennen lassen, dass das Gericht diese Wechselwirkung berücksichtigt hat – das Fahrverbot darf also nur verhängt werden, wenn die Hauptstrafe allein nicht ausreicht. Diese Wechselwirkung legt es für Verteidiger nahe, mit dem Richter – wie in Bußgeldsachen – über ein Absehen vom Fahrverbot oder auch eine Verkürzung der ins Auge gefassten Fahrverbotslänge (z.B. nach Strafbefehlserlass!) gegen angemessene Erhöhung der Hauptstrafe zu verhandeln. Die Erhöhung des Betrags der einzelnen Tagessätze im Hinblick auf den gleichzeitigen Wegfall eines Fahrverbots wird daher regelmäßig nur in Betracht kommen, wenn die Nichtanordnung des Fahrverbots zu einer nachhaltigen Verbesserung der wirtschaftlichen Situation des Angeklagten führt. Allein die Entlastung von Einkommenseinbußen, die während der Dauer des Fahrverbots eingetreten wären, reicht hierfür nicht aus. Das Urteil muss so tatsächliche Feststellungen zu den derzeitigen auch den für den Fall des Absehens vom Fahrverbot sich abzeichnenden wirtschaftlichen Verhältnissen enthalten.
§ 44 Abs. 1 S. 1 StGB ermöglicht die Fahrverbotsanordnung für alle Fahrzeugarten (dies ist in der Praxis die Regel) oder auch für einzelne Fahrzeugarten. Wird eine bestimmte Kraftfahrzeugart vom Fahrverbot ausgenommen, so muss der Verurteilte bei der zuständigen Straßenverkehrsbehörde einen Ersatzführerschein beantragen, aus dem die Beschränkung ersichtlich ist. Praktikabler ist die teils von Verwaltungsbehörden gewählte Möglichkeit, dem Beschuldigten "aufgrund von § 74 FeV und abweichend von § 4 Abs. 2 FeV" wie bei Ausnahmen von der vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung zu genehmigen, die ausgenommenen Fahrzeugarten führen zu dürfen ohne einen Führerschein mitzuführen und anzuordnen, dass diese Ausnahmegenehmigung (im gesiegelten Original) nur in Verbindung mit einem gültigen Reisepass oder Personalausweis gilt.
Für das beschränkte Fahrverbot gelten andere sachliche Kriterien als bei dem Ausnehmen einer bestimmten Kraftfahrzeugart von der Fahrerlaubnissperre. Anders als bei der Maßregel der §§ 69, 69a StGB sind nämlich Strafzumessungskriterien maßgebend. Die besonderen Auswirkungen des Fahrverbots auf den Angeklagten, z.B. die wirtschaftlichen und beruflichen Konsequenzen, insbesondere für den Erhalt seines Arbeitsplatzes, können hier eine entscheidende Rolle spielen. Die Verhängung eines unbeschränkten Fahrverbots verstößt nämlich gegen das Übermaßverbot, wenn die Strafzwecke auch mit einem auf bestimmte Kraftfahrzeugarten beschränkten Fahrverbot erreicht werden können. Der Verteidigung ist zu empfehlen, auf derartige besondere Umstände für eine Ausnahmebewilligung rechtzeitig in der Hauptverhandlung hinzuweisen. Nach Rechtskraft der das Fahrverbot anordnenden Entscheidung ist nämlich die Beschränkung der Nebenstrafe auf bestimmte Kraftfahrzeugarten nicht mehr möglich. Sachlich ist damit stets zu fragen: Kann der Erziehungszweck des Fahrverbots auch bei dessen sachlicher Einschränkung entfaltet werden? Ist ggf. ein unbeschränktes Fahrverbot damit unverhältnismäßig? Nur wenn beide Fragen bejaht werden können, wird eine Beschränkung möglich sein.
Autor: Von Richter am Amtsgericht Carsten Krumm, Dortmund
Richter am Amtsgericht Carsten Krumm, Dortmund
zfs 8/2022, S. 424 - 432