Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis setzt gem. § 111a StPO voraus, dass "dringende Gründe" für die Annahme vorhanden sind, die Fahrerlaubnis werde (gem. § 69 StGB) entzogen. Erforderlich ist damit für die vorläufige Fahrerlaubnisentziehung nicht nur ein dringender Tatverdacht, sondern auch die hohe Wahrscheinlichkeit einer endgültigen Entziehung mit Sperre:
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Im Rahmen des dringenden Tatverdachts sind also die verwirklichten Straßenverkehrsdelikte zu prüfen. |
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Im Rahmen der Feststellung der hohen Wahrscheinlichkeit einer Fahrerlaubnisentziehung ist § 69 StGB zu prüfen. |
Das bedeutet, dass – ähnlich wie für den Erlass eines Haftbefehls gem. § 112 StPO – nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand eine hohe, fast an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit dafür gegeben sein muss, dass die Maßregel der Fahrerlaubnisentziehung im Urteil angeordnet werden wird. Ein "genügender Anlass" i.S.v. § 170 StPO oder ein "hinreichender Tatverdacht" i.S.v. § 203 StPO reicht für die Anordnung der Maßnahme nicht aus. Auch eine im Raum stehende Verhängung eines Fahrverbotes nach § 44 StGB rechtfertigt nicht den vorläufigen Entzug der Fahrerlaubnis.
Verstreicht seit der Tat viel Zeit, so soll nach teilweise vertretener Ansicht der Beschuldigte darauf "vertrauen" dürfen, dass eine Maßnahme gem. § 111a StPO nicht mehr erfolgen werde und zwar vor allem dann, wenn der Beschuldigte zwischenzeitlich rechtstreu am Verkehr teilgenommen hat. Für die "Eilentscheidung" des § 111a StPO sei dann kein Raum mehr. Da die Rechtsprechung hier keine klare Linie erkennen lässt, muss der Verteidiger ausführlich argumentieren – jedenfalls ab etwa einem Jahr Verfahrensdauer kann diese sicherlich gut vertretbar als Hindernis einer vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung vorgetragen werden.
Zwar ist auch im Rahmen des § 111a StPO der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Liegen aber dringende Gründe i.S.d. § 111a StPO vor, so ist die Aufrechterhaltung der vorläufigen Maßnahme auch bei längerer Verfahrensdauer in der Regel nicht unverhältnismäßig, obwohl natürlich die vorläufige Fahrerlaubnisentziehung stets Anlass zur besonderen Beschleunigung des Verfahrens ist. Nur bei erheblicher Verzögerung und grober Pflichtverletzung kann die Aufhebung der vorläufigen Maßnahme wegen Unverhältnismäßigkeit geboten sein.
Der Zweifelssatz ("in dubio pro reo") gilt im Rahmen des § 111a StPO nur eingeschränkt. Dies ergibt sich aus der Natur der Entscheidung: Anders als im Rahmen des § 69 StGB ("endgültige" Entziehung der Fahrerlaubnis) erfordert der Beschluss über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis auch bezüglich der die Verhaltensprognose tragenden Tatsachen keine Gewissheit, weil "dringende Gründe" genügen, also schon ein besonders hohes Maß an Wahrscheinlichkeit ausreicht. So geht die h.M. davon aus, dass nur hinsichtlich der Prognosetatsachen (die Tatsachen, die der Prognoseentscheidung zugrunde liegen) der Grundsatz "in dubio" gelte – ansonsten stehe die Prognose in einem unauflöslichen Widerspruch zu dem Zweifelssatz. Der Beschluss über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ist eine Ermessensentscheidung ("kann").
Die vorläufige Entziehung erübrigt sich in den Fällen, in denen die Sicherung der Allgemeinheit gegen weitere Gefährdung auf andere Weise gewährleistet ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Beschuldigte seinen Führerschein freiwillig herausgegeben hat.