VVG § 86; BGB § 241 Abs. 2 § 280 Abs. 1 § 631
Leitsatz
Wird ein wertvoller Oldtimer entwendet, der der üblichen Praxis der Werkstatt entsprechend unverschlossen zur Reparatur auf einem umzäunten Werkstattgelände, dessen Einfahrt mit einem Rolltor gesichert ist, abgestellt war, so schuldet der Werkunternehmer dem Eigentümer Schadensersatz wegen Pflichtverletzung.
(Leitsatz der Schriftleitung)
LG Aachen, Urt. v. 5.5.2022 – 12 O 248/21
Sachverhalt
Die Parteien streiten über Regressansprüche für die Inanspruchnahme der Kl. als Versicherung zur Regulierung eines Kfz-Schadenfalls aus übergegangenem Recht. Die Kl. ist Kaskoversicherer. Bei ihr war ein Oldtimer der Marke … diebstahlversichert. Die Bekl. betrieb eine Werkstatt zur Reparatur und Restauration von Kraftfahrzeugen. Bei den eingelieferten Fahrzeugen handelte es sich in vielen Fällen um Oldtimer. Die zum Werksbetrieb zugehörige Werkshalle besaß ein Rolltor, welches außerhalb der Geschäftszeiten durch ein Vorhängeschloss gesichert wurde. Um die Werkshalle herum befand sich außerdem eine etwa 2 Meter hohe verschlossene Grundstückumzäunung. Die in der Werkshalle aufbewahrten Fahrzeuge wurden nach ständiger Praxis des Bekl. unverschlossen auch außerhalb der Geschäftszeiten abgestellt. Die zugehörigen Zündschlüssel wurden in einem Werkstattbüro, welches sich getrennt durch einen Flur im selben Gebäude der Werkshalle befand, an einem Schlüsselbrett aufgehängt.
Das streitgegenständliche Fahrzeug wurde zu Reparaturzwecken am Motor am 6.12.2017 bei der Bekl. eingeliefert. Die Prognose zum Reparaturzeitraum betraf etwa acht bis vierzehn Tage. Es erfolgte eine teilweise Demontage des Motors, insbesondere einer solchen des Luftfilters und der Zündkerzenstecker.
Am 8.12.2017 stiegen unbekannte Dritte in die Werkshalle des Bekl. ein. Dabei brachen sie das Vorhängeschloss zum Werkshallentor auf, schoben dieses nach oben und konnten so unter anderem das streitgegenständliche Fahrzeug aus der Halle bewegen. Die Grundstücksumzäunung wurde ebenso durch die Dritten eingerissen, sodass die Fahrzeuge vom Grundstück des Bekl. entfernt werden konnten. Das Fahrzeug wurde bislang nicht aufgefunden.
2 Aus den Gründen:
Der Kl. stehen gegen den Bekl. der geltend gemachte Hauptanspruch in Höhe von 80.000,00 EUR und die Nebenforderungen in voller Höhe zu.
1. Ein Zahlungsanspruch der Kl. gegen den Bekl. ergibt sich in Höhe von 80.000,00 EUR aus übergegangenem Recht gem. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 631 BGB i.V.m. § 86 VVG. Dem VN der Kl. stand gegen die Bekl. seinerseits ein Schadensersatzanspruch in dieser Höhe zu, welcher durch Zahlung der Kl. auf diese gem. § 86 VVG übergegangen ist.
a) Zwischen dem VN der Kl. und dem Bekl. kam zumindest konkludent ein Werkvertrag durch Einlieferung des streitgegenständlichen Fahrzeugs zum Zwecke der Reparatur in der Werkstatt des Bekl. gem. §§ 145, 147, 631 BGB zustande.
b) Der Bekl. hat eine Pflicht aus diesem Schuldverhältnis verletzt, § 280 Abs. 1 BGB.
Zu den Pflichten aus einem Werkvertrag zählen neben den Hauptleistungspflichten insbesondere auch Nebenpflichten, wie sie sich aus § 241 Abs. 2 BGB ergeben. Danach hat grundsätzlich jeder Vertragspartner auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils Rücksicht zu nehmen. Als sog. leistungssichernde Nebenpflichten fallen hierunter insbesondere Erhaltungs- und Obhutspflichten in Bezug auf den Schuldgegenstand (vgl. MüKoBGB/Bachmann § 241 Rn 96, zitiert nach beck-online).
Nach Ansicht des Gerichts ist der Bekl. seiner ihn treffenden Obhutspflicht in Bezug auf das streitgegenständliche Fahrzeug nicht ausreichend nachgekommen.
Im Falle eines Kfz-Werkstattbetriebs geht die Obhutspflicht zwar nicht so weit, dass der Handwerker die Wegnahme eines in Obhut genommenen Fahrzeugs mit allerletzter Sicherheit auszuschließen hätte (vgl. OLG Oldenburg VersR 1983, 452). Er hat jedoch all jene Maßnahmen zu treffen, die technisch praktikabel und effektiv sowie unter Berücksichtigung des Betriebsablaufs zumutbar und mit Rücksicht auf den Wert der in Obhut genommenen Sache erforderlich sind (vgl. OLG Oldenburg a.a.O.; ebenso OLG Hamm, VersR 1992, 336).
Dazu gehört einerseits, dass die Werkstatt selbst verschlossen gehalten und die Zugänge wirksam versperrt werden müssen, andererseits aber auch die Benutzung und Anwendung der in jedem Personenwagen vorhandenen Sicherungen gegen Entwendung und unbefugte Benutzung. Dazu gehört, dass der Zündschlüssel vom Lenkradschloss abgezogen und die Türen und Fenster des Fahrzeuges verriegelt werden (…).
Diesen Anforderungen hat der Bekl. hier nicht genügt.
Er durfte sich hinsichtlich seiner Obhutpflichten nicht damit begnügen, dass das Rolltor der Werkstatthalle selbst durch ein Vorhängeschloss gesichert und das Werkstattgelände durch eine Umzäunung zusätzlich abgesichert war.
Unstreitig herrschte im Betrieb des Bekl. die Praxis, die in Obhut genommenen Fahrzeuge nicht abzuschließen. Das Verriegeln der Türen und Fenster von Fahrzeugen ist jedoch ein Mittel, durch welches unberechtigter Fremdzugriff auf die in Obhut genommenen F...