ZPO § 256; VGB 2000 § 28 Nr. 1; VHB 2000 § 31 Nr. 1
Leitsatz
Der eine Entschädigung für einen Leitungswasserschaden beanspruchende VN kann eine Klage auf Feststellung der Entschädigungspflicht erheben, wenn in den Versicherungsbedingungen die Möglichkeit eines Sachverständigenverfahrens vorgesehen ist, auch wenn sich der VN auf sie noch nicht berufen hat.
(Leitsatz der Schriftleitung)
BGH, Urt. v. 13.4.2022 – IV ZR 60/20
Sachverhalt
Der Kl. begehrt die Feststellung der Leistungspflicht der Bekl. aus einer Wohngebäude- und einer Hausratversicherung wegen eines Leitungswasserschadens.
Zwischen den Parteien bestehen seit 2005 eine Wohngebäudeversicherung auf der Grundlage der VGB 2000 und eine Hausratversicherung auf der Grundlage der VHB 2000.
Vor Antritt eines mehrmonatigen Urlaubs im Januar 2018 drehte der Kl. in dem versicherten Wohnhaus den Hausabsperrhahn vor der Wasseruhr zu, entleerte die Wasserleitungen und betätigte die Toilettenspülungen, um die Absperrung zu überprüfen. Einen nach der Wasseruhr befindlichen zweiten Absperrhahn drehte er nicht zu. Als er am 7. 6. 2018 aus dem Urlaub zurückkehrte, stellte er fest, dass ein erheblicher Wasseraustritt stattgefunden hatte. Dieser war entstanden, weil der zugedrehte Hausabsperrhahn die Wasserzufuhr nicht vollständig verschlossen hatte und ein Ventil am Anschluss der Waschmaschine undicht geworden war. Durch den Wasseraustritt sind in beiden Versicherungen versicherte Schäden eingetreten, deren Höhe zwischen den Parteien streitig ist.
Mit der Klage hat er zuletzt die Feststellung begehrt, dass die Bekl. verpflichtet sei, ihm Versicherungsleistungen aus der Wohngebäudeversicherung und aus der Hausratversicherung aufgrund des Leitungswasserschadens vorbehaltlich einer Leistungsfreiheit gemäß § 22 Nr. 1 VGB 2000 bzw. gemäß § 23 Nr. 1 VHB 2000 zu gewähren.
2 Aus den Gründen:
[15] Zu Recht hat das BG angenommen, dass die Feststellungsklage zulässig und insbesondere das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse des Kl. gegeben ist. Die Zulässigkeit der Feststellungsklage scheitert entgegen der Ansicht der Revision nicht am Vorrang der Leistungsklage.
[16] 1. Ist dem Kl. eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar und erschöpft sie das Rechtsschutzziel, fehlt ihm zwar regelmäßig das – auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfende – Feststellungsinteresse, weil er im Sinne einer besseren Rechtsschutzmöglichkeit den Streitstoff in einem Prozess klären kann. Die auf Feststellung des Anspruchsgrundes gerichtete Feststellungsklage ist dann unzulässig (BGH WM 2021, 633 Rn 53; NJW 2017, 1823 Rn 14; jeweils m.w.N.). Eine allgemeine Subsidiarität einer Feststellungsklage gegenüber einer Leistungsklage besteht aber nicht, wie das BG zutreffend ausgeführt hat. Trotz möglicher Leistungsklage kann das Feststellungsinteresse bejaht werden, wenn schon ein Feststellungsurteil zu einer endgültigen Streitbeilegung führt, weil der Bekl. erwarten lässt, dass er bereits auf ein Feststellungsurteil hin leisten wird. So kann von einem beklagten VR erwartet werden, dass er auf ein entsprechendes rechtskräftiges Feststellungsurteil hin seinen rechtlichen Schadensersatzverpflichtungen nachkommt, ohne dass es eines weiteren, auf Zahlung gerichteten Vollstreckungstitels bedarf (vgl. BGH VersR 1999, 1555 unter II 1 b cc). Mit dieser Begründung kann im Streitfall jedoch die Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht bejaht werden. Die genannte Erwartung ist hier nicht gerechtfertigt, weil die Bekl. ausdrücklich die Zulässigkeit der Feststellungsklage in Abrede stellt und die Ansprüche der Höhe nach bestreitet.
[17] 2. Allerdings kann, wie das BG richtig gesehen hat, nach der Senatsrechtsprechung einer auf Feststellung der Eintrittspflicht eines VR gerichteten Klage eines VN grundsätzlich nicht die Möglichkeit einer Leistungsklage entgegengehalten werden, wenn in den Versicherungsbedingungen – wie hier nach § 31 Nr. 1 Satz 1 VGB 2000 und nach § 34 Nr. 1 Satz 1 VHB 2000 – die Durchführung eines Sachverständigenverfahrens zur Klärung der Schadenhöhe vorgesehen ist (Senat r+s 2010, 64 Rn 5; BGHZ 137, 318 unter A. r+s 1986, 185 unter a und b m.w.N.).
Ein solches nach bestimmten Regeln durchzuführendes Sachverständigenverfahren endet mit verbindlichen Feststellungen für die Parteien des Versicherungsvertrages, wenn nicht nachgewiesen wird, dass die Feststellungen offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweichen. Ein weiterer Prozess zur Höhe der zu leistenden Entschädigungen ist demnach gerade nicht die typische Folge des Feststellungsurteils trotz unentschieden gelassenen Streits über die Höhe der versicherten Schäden. Mit Rücksicht auf das in den Versicherungsbedingungen vorgesehene Sachverständigenverfahren, das jede Partei ohne Zustimmung der anderen in Gang bringen kann und auf dessen Durchführung der Kl. bislang nicht verzichtet hat, braucht sich der VN nicht auf eine Leistungsklage verweisen zu lassen. Damit würde er sich des Rechts begeben, ein Sachverständigenverfahren zur Schadenhöhe zu beantragen. Ein...