MB/KT § 15 Nr. 1 b
Leitsatz
1. Eine bestehende Arbeitsunfähigkeit wegen einer psychischen Erkrankung aufgrund besonderer Umstände am Arbeitsplatz (Mobbing) begründet keine zur Beendigung der Krankentagegeldversicherung führende Berufsunfähigkeit, wenn auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sowie für die letzte Arbeitstätigkeit die volle Leistungsfähigkeit gegeben ist.
2. Das zugrunde zu legende Verständnis des Versicherungsfalls in der Krankentagegeldversicherung bedeutet trotz der Maßgeblichkeit der konkreten Ausprägung der beruflichen Tätigkeit keine (ungerechtfertigte) Gleichsetzung dieses Begriffs mit dem des Arbeitsplatzes.
OLG Schleswig, Urt. v. 20.3.2023 – 16 U 112/22
1 Sachverhalt
Der Kläger begehrt von der Beklagten Leistungen aus einer Krankentagegeldversicherung und daneben die Feststellung, dass der Versicherungsvertrag unverändert fortbesteht.
Arbeitsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen liegt vor, wenn die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, sie auch nicht ausübt und keiner anderweitigen Erwerbstätigkeit nachgeht.“
§ 15 Nr. 1 lit. b AVB regelt, dass das Versicherungsverhältnis unter anderem im folgenden Fall endet:
"mit Eintritt der Berufsunfähigkeit. Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person nach medizinischem Befund im bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit mehr als 50 % erwerbsunfähig ist."
Der Kläger ist seit 1989 in der Verwaltung des X beschäftigt. Ab dem Jahr 2009 war er Leiter der Finanzabteilung.
Infolge einer personellen Erweiterung seiner Abteilung kam es zu einer Überlastungssituation für den Kläger, weshalb er im Jahr 2015 seine Überlastung anzeigte. Hiernach kam es zu Konflikten am Arbeitsplatz. Der Kläger bemühte sich um eine Umsetzung, wobei er insbesondere darum bat, nicht seiner Nachfolgerin als Abteilungsleitern unterstellt zu werden. Dies geschah jedoch, als der Kläger zum 1.7.2017 eine neue Funktion übernahm und Leiter der strategischen Finanzplanung wurde. Das Arbeitsklima gestaltete sich weiterhin schwierig. Der Kläger fühlte sich gemobbt. Vor diesem Hintergrund war er ab dem 27.5.2019 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Nach Ablauf der Karenztage nahm die Beklagte die Zahlung von Krankengeld auf.
Im dem Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik wurde zum Leistungsvermögen des Klägers angegeben, dass dieser leistungsunfähig für den letzten Arbeitsplatz sei und die zuletzt ausgeübte Tätigkeit nur noch in einem Umfang von weniger als drei Stunden ausüben könne. Ausschlaggebend hierfür seien unlösbare Vorgesetztenkonflikte. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sowie für die letzte Arbeitstätigkeit bestehe volle Leistungsfähigkeit.
2 Aus den Gründen:
Die Krankentagegeldversicherung des Klägers endete nicht wegen Eintritts von Berufsunfähigkeit. Der Kläger war bis einschließlich zum 30.9.2020 arbeitsunfähig und hat dementsprechend einen Anspruch auf weitere Krankentagesgeldzahlungen abzüglich der hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Beitragsforderungen der Beklagten.
A. Die Krankentagegeldversicherung endete nicht zum 20.4.2020. Die Beklagte hat die Berufsunfähigkeit des Klägers im Sinne der Versicherungsbedingungen zu diesem Zeitpunkt nicht bewiesen.
1. Gemäß § 15 Nr. 1 lit. b AVB liegt Berufsunfähigkeit vor, wenn die versicherte Person nach medizinischem Befund im bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit mehr als 50 % erwerbsunfähig ist. Für die Prognose kommt es ggf. rückschauend, aber aus der ex ante-Perspektive auf den Zeitpunkt an, für den der Versicherer das Ende seiner Leistungspflicht behauptet (vgl. BGH zfs 2010, 513, m. Anm. Rixecker), wobei unerheblich ist, ob die Prognose zutreffend war oder der Versicherungsnehmer später doch wieder arbeiten kann (…).
Bei der Prüfung der Berufsunfähigkeit in § 15 Nr. 1 lit. b MB/KT ist nach dem maßgebenden Verständnis des durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmers die zuletzt ausgeübte berufliche Tätigkeit der versicherten Person in ihrer konkreten Ausprägung maßgeblich. Denn der durchschnittliche Versicherungsnehmer versteht unter dem "bisher ausgeübten Beruf" im Sinne von § 15 Nr. 1 lit. b AVB dasselbe wie unter dem Begriff der "beruflichen Tätigkeit", die die versicherte Person nach § 1, Abs. 3 MB/KT vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, um arbeitsunfähig zu sein (…). Maßstab im letztgenannten Sinne ist der bisherige Beruf in seiner konkreten Ausprägung, so dass auch eine durch besondere Umstände an dem Arbeitsplatz wie eine tatsächliche oder als solche empfundene Mobbingsituation bedingte psychische und/oder physische Erkrankung zu einer Arbeitsunfähigkeit führen kann (BGH zfs 2011, 243).
Dies hat zur Folge, dass im Rahmen der Beurteilung einer Berufsunfähigkeit des Versicherungsnehmers nach § 15 Nr. 1 lit. b AVB nur die Tätigkeiten zur Berufsausübung gehören, die dem Berufsbild entsprechen, das sich aus der bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit konkret ausgeübten Tätigkeit der versicherten Person ergibt. Die berufliche Tätigkeit des Versicherungsn...